Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! „Im Grunde kein Antisemitismus“, „jüdische Paranoia“, „Import des israelisch-palästinensischen Konflikts“ – all das müssen sich Jüdinnen und Juden seit Jahren anhören, wenn sie auf den zunehmenden Antisemitismus hinweisen. Dabei zeigen Studien ganz klar, dass die Zustimmung zu antisemitischen Aussagen steigt. Der Antisemitismus – da sind sich alle Forschenden einig – wird zunehmend offener und gewaltvoller. Die Politik der Verdrängung fällt uns seit Jahren auf die Füße. Was verdrängt wurde, bricht mit Gewalt hervor. Man denke an den ehemaligen obersten Verfassungsschützer, der neonazistische Codes verwendet, an die Anschläge von Halle und Hanau, an sogenannte Hygienedemonstrationen mit gelben Judensternen, die im Versuch gipfelten, hier ins Reichstagsgebäude einzudringen. Dabei laufen hier doch schon Verschwörungsideologinnen und -ideologen und Querdenker herum, wie mein Vorredner gerade bewiesen hat. Im letzten Jahr mussten Jüdinnen und Juden erleben, wie antisemitische Kunstwerke ausgestellt und Shoah-glorifizierende Flugblätter relativiert wurden. Seit dem 7. Oktober müssen Jüdinnen und Juden mit dem Wissen leben, dass das Sicherheitsversprechen des jüdischen Staates infrage gestellt wurde. Die Hamas hat 1 200 Menschen grausam ermordet, teilweise zu Tode gefoltert. 136 Geiseln sind weiterhin in den Händen der Terroristen. Gleichzeitig sind Jüdinnen und Juden Teil der deutschen Gesellschaft, in der nach wie vor viele abwiegeln, kleinreden, verdrängen, wegsehen. Seit Oktober gab es in der Bundesrepublik nicht nur 5 400 antisemitische Straftaten, sondern auch über 700 Anfragen von Betroffenen bei der Beratungsstelle OFEK. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind entschlossen, das Verdrängen und das Schweigen nicht länger hinzunehmen. Mit diesem Haushalt sagen wir den antisemitischen Zuständen den Kampf an. Wir sind nicht nur dann gegen Antisemitismus, wenn es politisch opportun ist oder grausame Gewalt gegen Jüdinnen und Juden zum Handeln zwingt. Nein, der Kampf gegen Antisemitismus ist eine Daueraufgabe. In diesem Haushalt stellen wir so viel Geld wie nie zuvor für den Kampf gegen den Antisemitismus und die Förderung jüdischen Lebens bereit. Wir stärken das Monitoring antisemitischer Vorfälle mit einer institutionellen Förderung für RIAS. Wir unterstützen die Arbeit der Beratungsstelle OFEK, die sich auf die Beratung von Betroffenen und Institutionen nach antisemitischer Gewalt spezialisiert hat. Wir fördern antisemitismuskritische Bildungsarbeit wie nie zuvor, und wir stärken den Antisemitismusbeauftragten. Und was mich ganz besonders freut: Wir haben es endlich geschafft, den jüdischen Kulturfonds einzurichten. Ich war in den letzten Jahren mit etlichen jüdischen Kunst- und Kulturschaffenden im Gespräch, auch mit Gemeinden. Deren Erfahrungsberichte sind in die Ausgestaltung dieses Fonds eingeflossen. Sie alle können jetzt Anträge stellen. Für die Freiheit der Kunst, die enorm unter Antisemitismus gelitten hat, ist dies ein wichtiger und notwendiger Schritt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Demokratie steht unter Druck durch die Autokraten dieser Welt, ihre Propaganda, ihre Helfershelfer, aber auch durch Ideologien, die nach 1945 nie verschwunden waren. Füllen wir das mit Leben, was in jeder Rede zum Gedenktag am 27. Januar zu hören ist: „Nie wieder!“ darf nicht nur eine Phrase sein! Handeln wir! Vielen Dank.