Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „… einen föderalen europäischen Bundesstaat“, so steht es im Koalitionsvertrag. Es ist interpretationsfähig, was man darunter versteht. Deswegen beziehe ich mich zunächst einmal auf die Präambel unseres Grundgesetzes. Dort steht, dass wir Deutschen eingebettet sind in einem friedlichen vereinten Europa. Ich glaube, das ist die Aufgabe der deutschen Politik und damit auch der Politik, wie wir gegenüber Europa stehen. Unser Wohlstand basiert auf der Einbindung in Europa, insbesondere der Schaffung des Binnenmarktes. Wir haben einen jährlichen Überschuss – dafür wurden wir auch immer gerügt; das nannte sich makroökonomisches Ungleichgewicht – von etwa 100 Milliarden Euro pro Jahr. Wo sind die denn hingegangen? In die Unternehmen, in die Bevölkerung. Unser Wohlstand basiert darauf. Wer das für Deutschland nicht glaubt und ablehnt, der soll doch einfach mal schauen: Was ist denn mit den Ländern passiert, die nach uns zu Europa gekommen sind, und was mit denen, die noch nicht dabei sind? Vergleichen wir doch mal Ungarn und Albanien, vergleichen wir doch mal Polen und Moldawien! Dort sind die Entwicklungen völlig anders. Das kann jeder nachlesen. Die Europäische Union bietet mit ihrem Binnenmarkt Wohlstand. Wem nur das schlichte Geld das Motiv ist, dem sei gesagt: Auch die Freiheiten der Menschen sind wichtig, insbesondere die Personenfreiheiten. Es gibt eine freie Arbeitsplatzwahl. Man kann eine Ausbildung machen. Es gibt keine Grenzen. Ich bin alt genug und habe die Grenzen erlebt, viele, die hier sitzen, auch, andere Gott sei Dank nicht mehr. Wir haben während Corona gesehen, was passieren kann, wenn man sie einfach wieder einführt. Das sind Errungenschaften. Das wollen Sie kaputtmachen, selbst mit solchen Anträgen. Und dann kommt bei Ihnen noch ein bisschen Menschenverachtung dazu, große Menschenverachtung, aber ein bisschen Unwissenheit auch. Es ist richtig bösartig, was dort läuft. Sie haben kein Gefühl dafür. Sie machen auch offensichtlich gar nichts anderes, als hier solche Anträge zu stellen. Waren Sie mal in einer Kommune? Haben Sie sich mal umgeschaut, was denn Europa dort bedeutet für Sportstätten, für Straßen, für Plätze, für den Arbeitsmarkt, für die Unternehmen, für Bildungseinrichtungen? Das ist gelebtes Europa. Das müssen wir selbstverständlich näherbringen. Und das wollen Sie kaputtmachen. Das ist mit Ihrem Antrag zur Kürzung der Eigenmittel gemeint. Es sind nicht nur die Bauern; das haben wir öfter gesagt. – Sie sind die Totengräber, das ist klar. Aber Sie machen auch diese Gesellschaft kaputt. Nein. Nein. Digitalisierung, Gesundheit, Verteidigung, Klimaschutz sind Aufgaben, die wir nur gemeinsam in Europa lösen können. Das können wir nicht national lösen; das wissen wir. Wir wissen nicht einmal, ob wir es nur in Europa lösen können. Wir brauchen noch viel mehr Partner. All das steckt hinter dieser Eigenmitteldebatte. Sie sind die Totengräber einer freien, liberalen europäischen Gesellschaft. Nichts anderes ist in Ihrem Antrag festzustellen. Die Eigenmitteldebatte ist eröffnet. Wir haben auch die liberale Meinung gehört; die schätze ich sehr. Ich sehe jetzt Herrn Brinkhaus hier. Wir haben schon sehr oft über eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer diskutiert. Es gibt den Richtlinienentwurf BEFIT, der eine Harmonisierung auf europäischer Ebene bringen soll, damit ein gleiches Spielfeld herrscht für die Unternehmen. Es gibt die Verrechnungspreisrichtlinie, bei der wir darüber reden müssen, dass dort entsprechende Bewertungen auch stattfinden. Und es gibt die Richtlinie für kleine und mittlere Unternehmen. Jetzt kommt der Unterschied, Herr Brinkhaus: Ich hätte gerne, dass ein Teil davon zur Finanzierung der Europäischen Union genutzt wird. Das ist noch kein eigenes europäisches Steuerrecht, aber es geht in die Richtung. Ich freue mich schon auf die Debatte mit allen Demokraten: Wie schaffen wir es, von den nationalen Beiträgen weg zu einem seriösen dauerhaften Finanzierungsinstrument zu kommen, über die neuen Eigenmittel, über CBAM hinaus? Ein europäisches Steuerrecht könnte das Schlagwort sein. Wir haben immer gesagt, dass wir internationale Firmen mit nationalem Steuerrecht nur schlecht heranziehen können. Wir kennen alle die Beispiele von Amazon und anderen, die wenig Steuern zahlen. Das lässt sich national nicht bekämpfen, da ist die nationale Steuerpolitik gescheitert. Es ist also auch hier die Aufgabe, Instrumentarien zu finden und diese in ein gutes, kluges Eigenmittelsystem, das uns all diese Errungenschaften der Europäischen Union sichert, einzubinden. Das ist die Aufgabe, dafür wollen wir kämpfen, dafür stehen wir – und nicht für diese bösartigen Anträge, die Sie hier zur Zerstörung der europäischen Gesellschaft stellen. In diesem Sinne: Lassen Sie uns als Demokraten an der Fortentwicklung arbeiten! Ich wünsche allen ein schönes Wochenende. Glück auf!