Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute beschließen wir die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Darauf haben so viele Menschen schon so lange gewartet. Wir erkennen endlich die Lebensrealitäten von Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte an. Zugehörigkeit und Heimat – das geht auch im Plural. Wir schaffen für alle die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft. Zwei Pässe, das ist im Jahr 2024 das normalste der Welt und längst Realität in vielen Ländern. Wer seit fünf Jahren hier lebt und gut Deutsch spricht, wer den eigenen Lebensunterhalt sichern kann, wer sich zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt und Deutscher werden will, soll auch Deutscher werden können. Wer sich für unser Land einbringt, bekommt auch etwas zurück. Das ist ein wichtiges Zeichen. Wir rücken Volk und Bevölkerung näher zusammen; denn wer fester Teil unserer Gesellschaft ist, soll wählen und auch gewählt werden können. Ich danke Nancy Faeser für ihr konsequentes Dranbleiben. Mit der Reform vollenden wir endlich das, was wir vor 25 Jahren begonnen haben, was all die Jahre hart umstritten und umkämpft war. Jetzt wird es Gesetz. Deutschland war schon immer ein Einwanderungsland. Wir sorgen nun dafür, dass Deutschland ein zukunftsfähiges Einwanderungsland ist: mit Gesetzen, die Chancengerechtigkeit und Teilhabe für alle ermöglichen. Mit einem Mindset, das nicht einteilt in Wir und Die, sondern sich zu Vielfalt und Offenheit bekennt. Spätestens seit letzter Woche ist wirklich jedem und jeder klar geworden, dass es Kräfte gibt – auch in diesem Parlament –, die dieses Deutschland abschaffen wollen. Sie wollen Menschen einfach aussortieren, und zwar auf Grundlage einer völkisch-rassistischen Ideologie. Eine Villa vor den Toren Berlins, konspirative Zusammenkunft, Pläne für die Deportation von Millionen Menschen – dazu ein paar Häppchen. Das war 1942 die Wannsee-Konferenz zur Verschleppung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung Europas. Sie jährt sich morgen zum 82. Mal. Im November 2023 trafen sich faschistische Fanatiker im Landhaus Adlon, nur 5 Kilometer vom Ort der Wannsee-Konferenz mit einer Geisteshaltung, die daran anknüpft. Sicher ist: Deutschland 2024 ist nicht Weimar 1933. Aber damit sich die Geschichte nicht wiederholt, müssen wir aus der Geschichte die richtigen Lehren ziehen. Ja, wir haben ein starkes Grundgesetz, starke Institutionen, eine starke Zivilgesellschaft. Aber es gibt keine Ewigkeitsgarantie; alles muss entschlossen verteidigt werden. Und wir müssen verdammt noch mal aufpassen, dass aus dem stetigen Zündeln kein Feuer wird. Ich bin heute auch wütend. Ich bin wütend, dass es so weit gekommen ist, dass jahrzehntelang weggeschaut wurde, dass Menschen wie Sie uns das Deutschsein ständig absprechen wollen. Sie sind die Alternative für Hass. Es sind Rechtsextreme im alten und neuen Gewand, die es nicht ertragen können, dass wir eine vielfältige Gesellschaft sind, in der allen die gleichen Chancen und Rechte zustehen, in der Herkunft kein Schicksal sein darf; nur die gemeinsame Zukunft zählt. Viele mit familiärer Einwanderungsgeschichte haben aber gerade Angst um ihre Zukunft. Ihr Sicherheitsgefühl ist im Mark erschüttert, das Reden von gepackten Koffern ist für sie real. Die Mehrheit muss jetzt laut sein, wie die vielen Menschen, die jetzt zu Recht auf die Straße gehen. Wir Demokratinnen und Demokraten müssen zusammen klar und deutlich sagen: Die Brandmauer steht. Wir wehren den Anfängen. Und ich füge persönlich hinzu: Wir 20 Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte bleiben hier. Das ist unser aller Land. Wir lassen es uns nicht wegnehmen. „Nie wieder!“ ist kein Lippenbekenntnis. „Nie wieder!“ ist jetzt. Herzlichen Dank.