Regierung und Opposition, Kommunen und Länder müssen gemeinsam Handlungsfähigkeit zeigen und Migration noch stärker ordnen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, wenn man sich die Debatte anhört, dann merkt man, wie sie ein wenig die ritualisierten Debatten der letzten Monate widerspiegelt. Es war eigentlich schon fast erwartbar, was hier von allen Seiten aufgeführt wird. Die Kollegin Aeffner hat gesagt, das wäre vielleicht ein Zeitpunkt, innezuhalten. Ich möchte die Möglichkeit nutzen, innezuhalten; denn ich glaube, dass es eigentlich einen großen Konsens von Regierung und Opposition hier im Haus gibt, ein gemeinsames Ziel, nämlich die populistischen Kräfte kleinzumachen. Ich glaube, ehrlich gesagt, dass das sogar Ziel Ihres Antrags ist, Herr Stracke. Und das ist ein gemeinsames Ziel. Dieses gemeinsame Ziel wird nicht erreicht, wenn es keine politischen Konflikte gibt. Es ist legitim, dass die Opposition die Regierung kritisiert, dass die Regierung das zurückweist, dass die Regierung darauf verweist, was sie alles getan hat, und die Opposition immer fordert: mehr und schneller. Das ist alles legitim. Aber wenn ich mir diese Debatte anhöre, dann weiß ich nicht, ob sie bewirkt, diejenigen zurückzuholen, die aktuell vielleicht die AfD wählen aufgrund von Frustration, aufgrund von Ängsten, aufgrund wirtschaftlicher Sorge. Es gibt Wähler, die die AfD wählen, weil sie einen Björn Höcke wollen. Es gibt Wähler, die die AfD wählen, weil sie genau diese Pläne verwirklicht sehen wollen. Es gibt aber einen Teil der Wähler, die von anderen Parteien kommen, die von der Sozialdemokratie frustriert sind, die vielleicht von den Freien Demokraten wechseln. Die Frage ist doch: Wie gewinnen wir diese Wähler zurück? Ein Punkt, der viele stört, ist tatsächlich die Migrationspolitik in Deutschland, und das doch nicht erst seit der Bundestagswahl. Machen wir uns doch ehrlich: Die Migrationspolitik ist doch nicht seit der Bundestagswahl zum Teil auf falschem Wege, sondern schon länger. Es ist doch absurd, wenn man in der Zeitung liest, dass Auszubildende abgeschoben werden. Es ist doch wirklich absurd, dass wir es Menschen, die nach Deutschland kommen und hier arbeiten wollen, ganz schön schwer machen mit Bürokratie, mit vielen Hürden, mit langen Verfahren. Da sind Menschen, die sich in Deutschland integrieren wollen, die arbeitswillig sind. Und denen machen wir das Leben seit Jahrzehnten schwer, weil wir der Lüge anhängen, Deutschland sei kein Einwanderungsland, obwohl Gastarbeiter dieses Land aufgebaut haben, obwohl in der Pflege, in der Gastronomie viele ausländische Einwanderer arbeiten. Das ist der eine Teil. Natürlich gibt es auch irreguläre Migration – das ist der andere Teil –, und natürlich sind auch Kommunen überfordert. Das bringen Sie mit Ihrem Antrag ja ein, Herr Stracke. Aber das ist doch nicht seit gestern so. Ich glaube, es ist verkehrt, Handlungsunfähigkeit zu demonstrieren, zu sagen, man könne Migration gar nicht ordnen und steuern, man könne es gar nicht hinbekommen, sie besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren und denjenigen, die schutzbedürftig sind, wirklich Schutz zu geben. Es ist, glaube ich, wichtig, mehr gegen irreguläre Migration zu machen, weil wir doch merken, dass momentan die Akzeptanz für Migration fehlt, auch für die reguläre Migration, die wir aufgrund des demografischen Wandels aber brauchen. Die Menschen differenzieren ja gar nicht mehr zwischen Leuten, die als Arbeitskraft hierherkommen wollen, denjenigen, die wirklich schutzbedürftig sind, die aus einem Krieg fliehen, zum Beispiel aus der Ukraine, und denjenigen, die die Hoffnung haben, sich in Deutschland etwas aufzubauen und die vielleicht auch berechtigte Schutzgründe haben, aber nicht asylberechtigt sind. Deswegen ist es wichtig, dass die Regierung handelt, dass wir beispielsweise – das wurde angesprochen – bei denjenigen im Bürgergeldbezug, die sich nicht bemühen, in Zukunft Vollsanktionen aussprechen können. Es ist auch richtig, dass diejenigen, die sehr lange Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten und keinen Anspruch haben, nicht sofort die höheren Sozialleistungen kriegen. Und es ist gut, dass wir uns auf europäischer Ebene dafür einsetzen, mit dem GEAS eine gemeinsame europäische Asylpolitik zu machen. Das war ja schon 2015 der Fehler. Ich würde mir in dieser Debatte wünschen, dass es weniger „falsch“ und „richtig“ gibt, weniger „alle rein“ und „alle raus“. Mehr Differenzierung braucht es in dieser Debatte. Ich bin froh, dass der nächste Tagesordnungspunkt die Frage der deutschen Staatsbürgerschaft zum Gegenstand hat; denn ich finde, der Kompromiss, der gefunden wurde, und die Linie, die in der nächsten Debatte aufgezeigt wird, spiegelt eine solche Migrationspolitik wider. Wir erleichtern es nämlich denjenigen, die in Deutschland einen Beitrag leisten, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen, als Zeichen: Wenn du dich integrieren willst, wenn du die Sprache lernst, dann kannst natürlich auch du Teil dieser Gesellschaft werden; wir würden uns freuen, wenn du Teil dieser Gesellschaft wirst. Aber weil es auch Fehlentwicklungen gibt, erschweren wir es denjenigen, die nach Deutschland kommen und nur von den Sozialleistungen, vom Sozialstaat leben wollen und ihren Lebensunterhalt nicht selbst erwirtschaften; die gibt es auch. Wenn wir bei Demonstrationen auf die Straßen gucken, dann sehen wir doch: Wir haben Probleme mit Antisemitismus auch im bürgerlichen Lager, im linken Lager. Aber auch in migrantischen Milieus haben wir Probleme mit Antisemitismus. Ich würde mir manchmal wünschen, dass wir alle unsere Debatten ein wenig mehr an der Frage orientierten „Wie könnten wir Probleme lösen?“, die Gesellschaft nicht schwarz und weiß zeichneten, sondern den Mut hätten, Grautöne zu zeigen. Ich glaube, das macht am Ende die AfD wirklich klein. Vielen Dank.