- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Plattform „FragDenStaat“ und das „ZDF Magazin Royale“ haben vor Kurzem einen Whatsapp-Chat von Polizistinnen und Polizisten eines Frankfurter Polizeireviers veröffentlicht. Es ist eine Sammlung unzähliger widerwärtiger Bilder, Videos und Aussagen, die den Holocaust und den Nationalsozialismus verherrlichen und Minderheiten diskriminieren.
In den letzten Jahren haben wir leider viel zu häufig solche Schlagzeilen lesen müssen – hier nur ein Ausschnitt –: „Polizistin schreibt heimlich Briefe an Attentäter von Halle“, „Kegeln unterm Hakenkreuz – zehn Polizisten in NRW suspendiert“, „Mehr als 100 Ermittlungsverfahren wegen Extremismus bei Berliner Polizei eingeleitet“, „Rassismus in der Polizei: Mehr als nur Einzelfälle?“, „Reichsbürger bei der Polizei in Bayern“ usw. usf.
Allein zwischen 2014 und 2020 sind über 400 Verdachtsfälle von Rechtsextremismus in den deutschen Polizeien bekannt geworden. Jedes Mal, wenn neue Fälle von rechtsextremen Umtrieben in der Polizei bekannt werden, fragen sich viele Bürgerinnen und Bürger zu Recht, wie so etwas überhaupt möglich ist. Polizistinnen und Polizisten repräsentieren unseren Staat. Sie stellen sicher, dass alle ihre Grundrechte wahrnehmen können. Sie wenden Gefahren für die Demokratie ab und bekämpfen Verfassungsfeindinnen und -feinde. Sie schwören einen Diensteid, das Grundgesetz und unsere Gesetze zu wahren.
Die Treuepflicht von Beamtinnen und Beamten fordert eindeutige Distanzierung von Gruppen und Bestrebungen, die Staat und Verfassung angreifen, bekämpfen und diffamieren.
Beifall des Abg. Sebastian Hartmann [SPD])
Von Beamtinnen und Beamten wird erwartet, Staat und Verfassung als einen hohen positiven Wert anzuerkennen, für den es sich einzutreten lohnt. Es schließt sich also logischerweise aus, dass ein Verfassungsfeind als Polizist arbeiten kann.
Und ich möchte betonen, dass die überwältigende Mehrheit aller Polizistinnen und Polizisten fest auf dem Boden der Verfassung steht.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mehr noch: Sie engagieren sich Tag für Tag für die Demokratie und für die Freiheit. Und dafür sind wir ihnen dankbar.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Es liegt also auch im Interesse aller rechtschaffenen Polizistinnen und Polizisten, dass wir diejenigen, die sich extremistisch betätigen, aus dem Dienst entfernen. Da darf es keine Nachsicht geben. Deshalb haben wir bereits mit der Beschleunigung von Disziplinarverfahren für eine schnellere Entfernung von Extremisten aus dem Dienst gesorgt.
Doch wir dürfen nicht nur reagieren, sondern müssen auch präventiv für bessere Strukturen arbeiten. Deshalb müssen wir besser darin werden, falsche Entwicklungen zu erkennen, extremistische Strukturen aufzudecken und nachhaltige Präventionsmaßnahmen zu etablieren. Und auch aus diesem Grund führen wir das Amt eines Polizeibeauftragten des Bundes beim Deutschen Bundestag ein: eine unabhängige Anlaufstelle für alle rechtschaffenen Polizistinnen und Polizisten, denen wir eine Vertrauensperson zur Seite stellen – so wie die Soldatinnen und Soldaten sie mit der Wehrbeauftragten jetzt bereits haben – und auch eine Anlaufstelle für alle Bürger/-innen, die dort auf ein fachkundiges offenes Ohr treffen werden.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ein unabhängiger Polizeibeauftragter des Bundes wird das Verhältnis zwischen Polizei und Gesellschaft stärken. Diese neue Institution trägt dazu bei, strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen zu erkennen und ihnen vorzubeugen. Fehler und Fehlverhalten in Einzelfällen werden untersucht, um aus ihnen auf strukturelle Mängel schließen zu können. Es ist gerade dieser abstrakte Blick auf die Strukturen, den wir mit Disziplinarverfahren und Staatsanwaltschaften bisher nicht leisten können.
Von einer neutralen Stelle wird systematisch untersucht werden können. Die Ergebnisse werden uns auch in unserer politischen Arbeit hier weiterhelfen; denn wir können Missstände gesetzgeberisch nur beheben, wenn wir sie auch kennen.
Der Polizeibeauftragte darf daher – und das wurde heute schon häufiger gesagt – kein zahnloser Tiger sein. Wir haben deshalb in diesem Gesetz in § 6 Absatz 7 klargestellt, dass dem Polizeibeauftragten Auskunftsrechte und Akteneinsicht bei Gerichten und Staatsanwaltschaften gewährt werden, die für seine Untersuchungen erforderlich sind. Die Strafprozessordnung lässt gemäß § 474 Absatz 2 Auskünfte aus Akten an öffentliche Stellen zu, und der Polizeibeauftragte des Bundes ist eine solche öffentliche Stelle im Sinne der Strafprozessordnung.
Viele Menschen haben jahrelang für die Einführung eines unabhängigen Polizeibeauftragten gekämpft. Heute wird dieser Einsatz belohnt. Und ich freue mich schon, wenn wir demnächst hier in diesem Deutschen Bundestag eine herausragende, dafür geeignete Person in dieses neue Amt wählen werden.
Vielen lieben Dank.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die fraktionslose Abgeordnete Martina Renner ist die nächste Rednerin.
Beifall der Abg. Nicole Gohlke [fraktionslos])