Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Tribüne! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin erst mal froh, dass diese Debatte, so zynisch der ihr zugrundeliegende Antrag auch ist, nicht mit den Worten meines Vorredners enden muss. „Russische Grenzen enden nirgendwo“. So steht es auf einem Großplakat, das an der russisch-estnischen Grenze am Grenzkontrollpunkt Iwangorod/Narva aufgehängt ist. Ähnliche Transparente finden sich auch in Moskau und anderswo in Russland. Mit diesem Slogan macht Wladimir Putin Wahlkampf für die Scheinpräsidentschaftswahl, die in diesem Jahr in Russland stattfindet. „Russische Grenzen enden nirgendwo“. Estland, aber auch die beiden anderen baltischen Staaten sind als direkte Nachbarn nachvollziehbarerweise besorgt, dass Russlands militärische Aggression auch sie direkt betreffen könnte, so wie im Fall der Republik Moldau oder Georgiens, die wieder betroffen sind. Kein Wunder bei derart eindeutigen Aussagen. „Russische Grenzen enden nirgendwo“. Putin macht damit klar, dass für ihn die Maxime gilt, Russland nach Belieben erweitern zu können, und zwar mit brutaler militärischer Gewalt. Gegen die Ukraine wendet er dieses Mittel nun seit fast zwei Jahren an, anderen droht er. In einem Interview vor einigen Tagen sagte der russische Diktator, dass er gar nicht verhandeln möchte bzw. wenn, dann nur über die Kapitulation der Ukraine, und dass er gar nicht daran denkt, irgendwelches erobertes Territorium wieder zurückzugeben. Deshalb ist es besonders infam – insbesondere in Anwesenheit unserer Außenministerin Annalena Baerbock, die bei den Verhandlungen in Istanbul, die Sie angesprochen haben, dabei war –, wenn Sie in Ihren Wortbeiträgen hier behaupten, der Westen hätte die Verhandlungen in Istanbul abgebrochen. Das ist falsch, Kolleginnen und Kollegen. Ich weiß gar nicht, was es sonst noch alles braucht, damit auch diejenigen, die es bislang nicht verstehen konnten oder wollten, merken, was auf dem Spiel steht. Sie von der AfD haben das ganz offensichtlich immer noch nicht verstanden, da Sie hier einen solchen Antrag einbringen. Es war aber auch nicht anders zu erwarten. Leider haben Ihre Wortbeiträge in dieser Debatte genau das wieder gezeigt. Außenministerin Annalena Baerbock könnte sicherlich aufklären, was in Istanbul tatsächlich besprochen wurde. Selbstverständlich, Frau Präsidentin. Ich glaube, es war sehr gut, dass wir einmal von derjenigen, die dabei war, gehört haben, wie diese Verhandlungen abgelaufen sind. Deshalb ist es, glaube ich, wirklich wichtig, noch mal ganz klar festzustellen: Für Kiew ist dieser brutale und ungerechtfertigte Angriffskrieg Russlands eine existenzielle Bedrohung. Für Russland, für Moskau, ist es lediglich die Ausgestaltung der eigenen imperialistischen, militaristischen Großmachtfantasien. Das ist, glaube ich, bei den Verhandlungen in Istanbul sehr deutlich geworden. Vielen Dank, dass Sie das noch einmal dargestellt haben! Putins Ziel ist die Zerstörung der Souveränität und der territorialen Integrität der Ukraine. Er will das Land erobern – das hat er klar gesagt –, ein Land, das sich qua Verfassung zu den Grundwerten der Europäischen Union und zu unserer europäischen Familie bekannt hat. Und ein essenzielles Grundrecht unserer europäischen Staatenfamilie ist das Recht eines jeden Staates, souverän und unabhängig über seine eigene Sicherheit zu entscheiden. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, ob ich lachen oder weinen sollte, als ich ausgerechnet diesen Satz als ersten Satz – Kollege Knut Abraham hat das vorhin schon angesprochen – in Ihrem zynischen Antrag lesen musste, da der gesamte Rest dieses Antrages diesen Satz absolut negiert, mit Füßen tritt und der Ukraine dieses Recht ganz offensichtlich nicht zuerkennt. Die Überschrift hört sich scheinbar gut an – eine Friedensinitiative für die Ukraine und Russland. Aber dieser Antrag ist wieder ein Paradebeispiel dafür, wie die AfD Tatsachen verdreht. Wofür Sie eigentlich stehen, mussten wir in den letzten Tagen in den eindrücklichen Berichten von correktiv.org lesen. Die Pläne aus Ihren Reihen sind entsetzlich, und sie verdienen unsere schärfste Ablehnung. Nein, die AfD hatte genug Redezeit, viel zu viel Redezeit, wenn Sie mich fragen. Abgesehen davon, dass Putin diesen Krieg, den er begonnen hat, sofort beenden könnte – das ist gesagt worden –, liegen konkrete Vorschläge auf dem Tisch. Die sogenannte Friedensformel von Präsident Selenskyj wird hoffentlich dazu führen, dass die Schweizer Regierung auch in Zukunft weitere Friedenskonferenzen umsetzen kann, und ist ein klares Signal, dass Kiew Frieden will. Wie könnte man den auch nicht wollen, bei dem Blutzoll, den die Ukraine im Moment zahlen muss? All den Forderungen, die Präsident Selenskyj darin zugrunde legt, können wir uns voll und ganz anschließen; denn das Land muss souverän und unabhängig über seine eigene Sicherheit entscheiden können. Das kann niemand anderes tun. Genau daran sollten wir auch hier im Haus festhalten, und genau dabei sollten wir die Ukraine weiter unterstützen. Ich danke Ihnen allen für die Aufmerksamkeit.