Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der wirklich aufgeheizten Stimmung im Land, angesichts der menschenverachtenden Deportationsfantasien, die letzte Woche aufgedeckt worden sind, ist es mir wichtig, gemeinsam mit Ihnen am Anfang vielleicht mal etwas grundsätzlicher auf das Jahr zu blicken. Denn die vielen Krisen, die wir in der Welt erleben, haben auch bei vielen Menschen in unserem Land Fragen, Sorgen, Ängste ausgelöst. Und Angst macht auch den einen oder anderen manchmal wütend. Miteinander im Gespräch zu bleiben und gemeinsam Lösungen zu suchen, ist deshalb wichtig. Ich finde aber, dass sich zu viele entweder völlig aus dem politischen Diskurs zurückziehen oder eben auch den gewaltvollen Protest suchen. Einige verlieren sich offenbar sogar in faschistischen Ideologien, die wirklich unerträglich sind. Verstehen Sie mich nicht falsch: Friedlicher Protest gehört zu einer demokratischen Gesellschaft dazu. Aber die Art und Weise, wie manche dieser Proteste ablaufen, wie politische Debatten immer mehr in abgeschotteten Echokammern stattfinden, wie immer rassistischer und menschenverachtender diskutiert wird, das muss jeden und jede von uns, das muss jeden Bürger, jede Bürgerin, jeden Demokraten, jede Demokratin aufschrecken. Wir dürfen nicht zusehen, und die demokratischen Parteien müssen dem gemeinschaftlich entgegentreten. Ich möchte den ehemaligen Bundespräsidenten Walter Scheel zitieren. Er sagte einmal: „Eine Demokratie ist immer auf dem Wege zu sich selbst. Sie ist nie fertig.“ Und damit ist sie natürlich auch der Gefahr ausgesetzt, dass ihre Feinde sich ihrer bedienen, um sie von innen zu zerstören. Ich sehe eine große Verantwortung für uns alle hier, für alle demokratischen Parteien in diesem Haus. Auch wenn einzelne Entscheidungen hart umkämpft sind, auch wenn sie die politischen Koalitionen herausfordern, müssen die großen demokratischen Linien, muss der Wert des politischen Kompromisses immer erkennbar bleiben und darf nicht im Streit untergehen. Es liegt an uns allen, den Bürgerinnen und Bürgern schwierige politische Entscheidungen gut zu erklären; Entscheidungen, die für Einzelne manchmal hart, aber dennoch richtig sind, weil sie für unsere gesamte Gesellschaft von Bedeutung sind. Das ist auch eine Frage des Respekts. Und: Es muss uns gemeinsam gelingen, den demokratischen Geist des Landes zu stärken. Unsere Demokratie lebt von selbstbewussten Menschen, die sie verteidigen, indem sie sich engagieren. Unsere Demokratie ist das Stärkste, das wir Hass und Hetze entgegensetzen können. Das ist genau das, was die Entwicklungspolitik tut. Ich erlebe auf meinen Reisen und in den vielen Diskussionen, die ich führe, wie sehr sich Menschen demokratische Strukturen wünschen. Die Mehrheit der Welt wünscht sich, in demokratischen Staaten zu leben, in Staaten, in denen sie frei und selbstbestimmt entscheiden dürfen, in Staaten, in denen friedlicher Protest möglich ist. Die Demokratie ist nach wie vor die beste Regierungsform, die es gibt, und sie verdient unseren Schutz. Mit einem Zitat unseres aktuellen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier möchte ich schließen: „Wir brauchen die Demokratie – aber ich glaube: Derzeit braucht die Demokratie vor allem uns!“