Herr Frohnmaier, für so viel Menschenverachtung fehlen mir die Worte. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Rose! Liebe Gäste auf der Tribüne! Ich zitiere mit der Erlaubnis des Präsidenten aus dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes vom 7. Januar 1956 zur Entschädigungspraxis der Sinti und Roma vor dem Jahre 1943: Mit diesen Worten wurde den Sinti und Roma im Nachkriegsdeutschland tatsächlich die Schuld an der Verfolgung vor 1943 selbst zugeschrieben. Durch eigene Asozialität, Kriminalität und Wandertrieb sei die Verfolgung legitim gewesen und nicht aus rassischen Gründen erfolgt. Nachdem damals einige der Verfolgten die Hölle von Auschwitz überlebt hatten, war der Schlusspunkt in dieser schandbaren Geschichte noch immer nicht gekommen. Bis 1982 lebten wir bewusst mit diesem Unrecht, bis die damalige Bundesregierung unter Helmut Schmidt den Holocaust an bis zu 500 000 Sinti und Roma endlich offiziell anerkannte. Wenn ich mir überlege, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dass Menschen, die womöglich die Blütezeit ihres Lebens in Konzentrationslagern erleiden mussten, nicht entschädigt und Zeit ihres Lebens verunglimpft wurden und keine Anerkennung des Völkermordes mehr miterlebt haben, erfüllt mich das mit größter Scham und Fassungslosigkeit. Das ist ein großer dunkler Fleck in der jüngeren Geschichte unseres Landes. Dass nach einem so unfassbaren Urteil und solch einer viel zu späten Anerkennung Menschen den Glauben und vor allem das Vertrauen in einen Rechtsstaat und eine Demokratie verlieren, liegt deutlich auf der Hand. Was so ein Urteil mit Menschen in einem Land macht, dem sie eigentlich schon seit vielen Jahrhunderten angehören, das – Gott sei es gedankt – zu einer Demokratie und einem Rechtsstaat geworden ist, das hier aber in unfassbarer Weise versagt hat, lässt sich für uns sicherlich nicht erahnen. Enttäuschung, Misstrauen, Verzweiflung und auch eine damit einhergehende Abschottung sind dabei sicherlich mehr als nachvollziehbar. Alles, was wir nun hier und heute tun können, ist, unser heutiges Handeln daran auszurichten, dass wir es im Bewusstsein dieser Schande nun besser machen. Gesamtgesellschaftlich muss sich unsere Sichtweise auf die anerkannte autochthone Minderheit der Sinti und Roma in unserem Land neu justieren. Deshalb bin ich sehr stolz darauf, dass wir in politischer Hinsicht als Ampelkoalition einen Beauftragten der Bundesregierung gegen Antiziganismus eingesetzt haben und Dr. Daimagüler in dieser Funktion eine wichtige Arbeit leistet. Das ist ein echter Meilenstein in dieser Geschichte. Ich bin ebenfalls froh, dass das Bundeskriminalamt im letzten Jahr nun eine gemeinsame Handlungsvereinbarung mit dem Zentralrat der Sinti und Roma getroffen und dadurch auch eine umfangreiche Aufarbeitung der eigenen Geschichte vorgenommen hat. Es hat mich damals vor Ort sehr berührt und gefreut, dass Sie, lieber Herr Rose, von einem historischen Tag und auch einem Umbruch im Umgang der Polizeibehörden mit der Minderheit der Sinti und Roma gesprochen haben. Dieser Umbruch muss nun auch flächendeckend in den einzelnen Ländern und den dortigen Polizeibehörden umgesetzt werden. Mit der vorliegenden fraktionsübergreifenden Entschließung möchten die demokratischen Fraktionen dieses Hauses auch den Ländern wichtige Impulse für einen würdevollen und schützenden Umgang mit der Minderheit der Sinti und Roma bereitstellen. Es hat mich sehr gefreut – besonders als Botschaft nach außen –, dass bei dieser wichtigen Thematik alle Fraktionen zusammengewirkt haben. Ich danke meinen Koalitionskolleginnen und -kollegen und besonders Ihnen, Herr de Vries, für den Einsatz in der Sache. Lassen Sie uns auch in Zukunft gemeinsam daran anknüpfen! Ganz herzlichen Dank.