- Bundestagsanalysen
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Christian Pfeil! Sehr geehrter Herr Rose! Sehr geehrte Frau Laubinger! Sehr geehrter Herr Strauß! Sehr geehrte Frau Rosenberg! Liebe Gäste aus den verschiedenen Organisationen, die sich für die Rechte der Sinti und Roma einsetzen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herzlich willkommen im Deutschen Bundestag! Ich freue mich, dass Sie hier sind, um unsere Debatte von der Besuchertribüne aus zu verfolgen. Ich freue mich ganz besonders, dass mit Herrn Pfeil heute ein Überlebender des Porajmos unter unseren Gästen ist; denn wir dürfen nicht vergessen: Vor 81 Jahren erließ Heinrich Himmler den Befehl zur Deportation aller Sinti und Roma. Vielen Dank, Herr Pfeil, dass Sie den Weg zu uns auf sich genommen haben.
Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir sprechen heute über die Bekämpfung von Antiziganismus und über die Förderung des Lebens der Sinti und Roma in Deutschland. Ausgangspunkt unseres Antrags ist der Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus, der eine ganze Bandbreite von Themenfeldern untersucht und Empfehlungen formuliert hat. Einige davon haben wir bereits umgesetzt.
Ich möchte kurz die historische Bedeutung dieser Entschließung hervorheben. Erstmals fasst der Deutsche Bundestag heute einen so umfangreichen gemeinsamen Beschluss zum Leben von Sinti und Roma in Deutschland. Ich bin sehr froh, dass wir uns auf diese Entschließung interfraktionell verständigen konnten. Das ist ein Meilenstein in der Aufarbeitung und Bekämpfung des Antiziganismus.
Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei fraktionslosen Abgeordneten)
Und, meine Damen und Herren, es ist ein sehr wichtiges Signal an alle Sinti und Roma in Deutschland. Wir haben die Entschließung gemeinsam erarbeitet mit der Unabhängigen Kommission Antiziganismus, dem Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma und den Bundesbeauftragten Herrn Dr. Daimagüler sowie Frau Pawlik. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.
Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei fraktionslosen Abgeordneten)
Lassen Sie mich nun auf einige wichtige Punkte in unserer Entschließung eingehen. Der Deutsche Bundestag erkennt das Unrecht an, das Sinti und Roma in der NS-Zeit und in beiden deutschen Staaten nach 1945 angetan wurde. Durch Verfolgung und Pogrome bis hin zur Massenvernichtung der Sinti und Roma in der NS-Zeit wurden bis zu einer halben Million Menschen umgebracht. Wir wollen das Gedenken an die Verfolgten und Ermordeten wachhalten und die Gedenk-, Erinnerungs- und Bildungsarbeit fördern; denn die Aufarbeitung verläuft schleppend. Vieles ist unbekannt und unerforscht.
In meinem Wahlkreis, in Bernau, hat Dr. Dieter Korczak die Entrechtung, Enteignung und Ermordung der Sinti und Roma erforscht. Die Stadt richtet ein jährliches Gedenken aus. Ich würde mir wünschen, dass sich noch viele weitere Orte mit diesem Kapitel ihrer Geschichte auseinandersetzen.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Christoph de Vries [CDU/CSU])
Es reicht nicht, meine Damen und Herren, das Buch „Ede und Unku“ gelesen zu haben; man muss sich mit der wahren Geschichte der Unku und der heute in Deutschland lebenden Sinti und Roma beschäftigen.
Ein sehr bewegendes Beispiel für eine gelungene Aufarbeitung sind das Dokumentationszentrum und die Ausstellung in Heidelberg. Ich bin sehr beeindruckt von der intensiven jahrzehntelangen Arbeit, die durch den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in dieser Frage geleistet wurde. Haben Sie ganz herzlichen Dank, Herr Rose!
Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Meine Damen und Herren, heute gibt es eine breite Zivilgesellschaft, die die Interessen der Sinti und Roma in Deutschland vertritt; einige Vertreter sind heute hier. Diese Vielfalt ist ein hoffnungsvolles Zeichen. Wir können sehr froh sein über dieses breite Engagement.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Aber die Organisationen der Sinti und Roma berichten uns alle von Stigmatisierung, von Diskriminierung, von Ausgrenzung und teilweise auch von Übergriffen. Das Ausmaß ist alarmierend, besonders vor dem Hintergrund unserer historischen Verantwortung. Laut der Antirassismusbeauftragten der Bundesregierung haben ein Drittel der Deutschen Vorbehalte gegenüber Roma und Sinti. Sie sind die Bevölkerungsgruppe, die am stärksten abgelehnt wird. Die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus hat für das letzte Jahr insgesamt 621 Vorfälle gemeldet, darunter Diskriminierung, Bedrohung und Gewalt.
Roma und Sinti sind eine anerkannte Minderheit in Deutschland. Trotzdem herrschen Vorurteile, und es gibt große Wissenslücken in der Bevölkerung. Wir bauen sie ab und erhöhen die Teilhabe- und Partizipationsmöglichkeiten. Selbst dort, wo öffentlich keine Sinti und Roma sichtbar sind, sind ausgegrenzte und diskriminierende Denkweisen weit verbreitet. Stigmatisierung passiert, wenn abwertend über Großfamilien gesprochen wird oder wenn Bildungsrückstände und Armutsbetroffenheit auf die Herkunft zurückgeführt werden
Sehr richtig!)
oder wenn ukrainische Roma Nachteile auf der Flucht erfahren.
Aber wir sprechen hier nicht allein über eine Minderheit; wir verhandeln hier kein Randthema.
Beifall der Abg. Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Nein, meine Damen und Herren, es geht um das gesellschaftliche Klima, um unsere Grundrechte; –
Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.
– es geht um unsere Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Lassen Sie uns gemeinsam diesen Weg gehen!
Frau Kollegin, bitte kommen Sie zum Schluss.
Wir dulden keine Ausgrenzung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Vielen Dank, Frau Kollegin Koß. – Nächster Redner ist der Kollege Christoph de Vries, CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])