- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine verehrten Damen und Herren! Schon als wir uns in der ersten Lesung am 9. November erstmalig mit dem Entwurf zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz beschäftigt haben, habe ich die Initiative gelobt und auch ausdrücklich darauf verwiesen, dass wir uns alle einem wichtigen Thema widmen müssen. Ich habe einige Hinweise getätigt in der Hoffnung, dass diese Fragestellungen in der folgenden Anhörung kritisch bewertet, beleuchtet und nach Möglichkeit auch gelöst werden. Leider ist diese Erwartung enttäuscht worden. Deshalb will ich an dieser Stelle noch mal die Punkte aufzählen, die jetzt nach der Anhörung – eigentlich sollte sie ja zum Erkenntnisgewinn beitragen – noch offen sind und deshalb den Gesetzentwurf leider nicht zu einem guten, sondern zu einem unvollendeten Gesetzentwurf machen.
Erstens: die Möglichkeit der Krankenkassen, ihre Abrechnungsdaten auszuwerten und in Beratungen mit den Patienten einzutreten. Vom Ansatz her ist das eine gute Idee. Aber wir haben in der Anhörung wahrgenommen, dass es zu einer deutlichen Kontroverse zwischen den Krankenkassen auf der einen Seite und den behandelnden Ärzten auf der anderen Seite kommt. Es besteht die Befürchtung, dass in das Arzt-Patienten-Verhältnis eingegriffen wird, es zu Misstrauen kommt, möglicherweise auch ein entsprechender Abbruch des Arzt-Patienten-Verhältnisses droht und damit die gute Idee – jedenfalls in dieser unklaren Ausführungsform – keine gute Ausführung erfährt. Außerdem sind die von den Krankenkassen vielfach erwähnten Problemstellungen der unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen über den Medikationsplan und über die Apotheken eigentlich schon hinlänglich gelöst. Also: Aufgabe nicht gelöst.
Zweitens: die Gemeinwohlorientierung. Der Begriff hat heute schon mehrfach in den Reden Erwähnung gefunden, und er ist in der Tat eine zentrale Stelle. Aber wir haben auch damals schon erfahren, dass die Definition der Gemeinwohlorientierung je nach Blickwinkel sehr unterschiedlich ausfallen kann.
Zuruf des Abg. Dr. Janosch Dahmen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Auch in der Anhörung ist in der Tat wieder deutlich geworden: Wir haben eine Perspektive der GKV, Herr Dr. Dahmen, und eine Perspektive der Wirtschaft. Das sind natürliche gegensätzliche Positionen, die aber für eine Praktikabilität des Gesetzes eigentlich in eine griffige und vor allen Dingen geeinte Definition hätten umgearbeitet werden müssen. Wir erinnern uns an die Fragestellung in der Anhörung an Frau Professor Buyx vom Ethikrat: Gibt es in der Literatur eine übereinstimmende konsentierte Definition? Antwort: Nein. – Und sie empfahl dringend die Einholung eines entsprechenden Gutachtens zu dieser wichtigen Definitionsfrage als elementare Schaltstelle des Gesetzes.
Das steht im Gesetz drin!)
Drittens: die Rolle der Privatwirtschaft. Wir alle haben heute, auch aus dem Munde von Herrn Minister Lauterbach, gehört, dass wir die Mitarbeit der Privatwirtschaft in Forschung und Entwicklung anregen wollen. Das ist uneingeschränkt richtig. Aber wir brauchen für die Einbindung der Privatwirtschaft auch einige klare Botschaften. Erstens: die uneingeschränkte Anerkennung des geistigen Eigentums.
Beifall bei der CDU/CSU)
Das ist die Basis und das Kapital der Privatwirtschaft, und dazu bedarf es eines klaren Bekenntnisses. Zweitens: Form, Inhalt und Umfang der Veröffentlichung. Das ist der Sache nach nicht zu kritisieren. Aber auch da kann es zu Kollisionslagen beim geistigen Eigentum kommen. Ein weiterer Punkt: die Einbindung in die Beiräte. Dort finden das Fachwissen der Privatwirtschaft und somit zwei Drittel des Umfangs der Forschung, die momentan stattfindet, überhaupt keine Berücksichtigung. Das wäre allerdings eine praxisorientierte und vor allen Dingen nachhaltige Einbindung und eine entscheidende Anreizbotschaft an die Privatwirtschaft.
Und zu guter Letzt: der europäische Datenraum und die KI. Dort gibt es intensiven Befassungsbedarf. Es gibt aber bedauerlicherweise noch kein überzeugendes Konzept der Einbindung und der Verknüpfung. Sosehr die Einbindung der künstlichen Intelligenz eine elementare Aufgabe ist, so wichtig ist es, die richtigen Lernformate aufzunehmen.
Zuruf des Abg. Dr. Janosch Dahmen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
– Nein, Herr Dr. Dahmen, wir wollen nicht warten. Wir wollen nur den Prozess beschreiben. Wir haben dazu mit dem AI Act der Europäischen Union auch einen Hinweis, dass es dazu eines entsprechenden Prozedere bedarf.
Europa ist noch nicht so weit! Deutschland aber schon!)
Wir wollen nicht warten, aber mit einer entsprechenden Fachkompetenz begleiten, damit unsere Systeme nicht von den falschen Algorithmen lernen. Auch das ist eine wichtige Fragestellung der Zuverlässigkeit und vor allen Dingen der Vertrauensbildung für den Patienten, der dieses System dann nutzen soll.
Zum Schluss: Der Entwurf zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz ist kein guter, aber er ist ein immerhin noch nicht runder Gesetzentwurf. Das lässt uns allerdings an dieser Stelle nur die Veranlassung geben, sich nicht gegen dieses Gesetz auszusprechen, sondern im weiteren Prozess – Sie alle haben es ja selber als lernendes System beschrieben – auf eine entsprechende Komplettierung hinzuwirken. Die Fragestellungen können jederzeit noch nachgearbeitet werden. Dabei haben Sie uns an Ihrer Seite, allerdings heute bei einer Zustimmung noch nicht. Die Enthaltung ist die richtige Botschaft.
Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Beifall bei der CDU/CSU
Sehr kraftvolle Enthaltung!)
Als Nächster hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Melis Sekmen.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)