Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Deutsche Bundestag stimmt heute über zwei sehr wichtige Gesetze ab: das Digital-Gesetz und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz. Um im Bild der Digitalisierung zu bleiben: Dies ist für die Digitalisierung in Deutschland und im Gesundheitssystem insgesamt ein Quantensprung. Diese Gesetze gehen auf Grundlagen zurück, die wir schon vor 20 Jahren geschaffen haben. Vor 20 Jahren wurde der Einstieg in die damals noch sogenannte elektronische Patientenkarte gesucht. Das Ziel war damals, dass die Daten, die für die Behandlung eines Patienten notwendig sind, auch am Platz sind, wenn die Behandlung stattfindet. Das war nicht der Fall. Heute, 20 Jahre später, Milliarden Euro später, müssen wir einräumen: Es ist nach wie vor genauso wie vor 20 Jahren. Das kann nicht so bleiben. Wir können es nicht so lassen. Wir müssen endlich den Anschluss finden, nach vorne gehen, die Digitalisierung in unserem Gesundheitssystem ermöglichen. Diese Gesetze haben einen ganz konkreten Nutzen für den Patienten. Versetzen Sie sich in die Situation: Sie sind als chronisch kranker Patient bei einem Facharzt neu einbestellt. Dann ist es die Regel, dass zu dem Zeitpunkt, an dem man dem Arzt begegnet, ein Teil der Befunde nicht da ist, die Röntgenbilder nicht da sind, ein Teil der Laborwerte nicht da ist. Das ist Alltag. Wo sind diese Daten? Sie sind verteilt auf die Server der Praxen und der Krankenhäuser, in denen der Patient in der Vergangenheit behandelt wurde. Wie geht es dann weiter? Ein Teil dieser Daten wird durch unnötige Doppeluntersuchungen gewonnen. Oft findet die Behandlung aber dann auch ohne diese Daten statt. Das führt zu Fehldiagnosen, zu Behandlungsfehlern, in jedem Fall zu einer suboptimalen Therapie. Das Geld wurde ausgegeben, aber die Daten sind nicht da, wo man sie braucht, und die Behandlung ist deutlich schlechter, als sie sein könnte. Das darf nicht mehr so sein. Jetzt werden die Daten da sein. Das ist eine deutliche Verbesserung aus der Perspektive der Patienten. Auch für einen Arzt oder eine Ärztin wird es bei der Behandlung natürlich sehr viel besser. Denn wenn sie die Befunde vorliegen haben, können sie natürlich auch ganz anders mit dem Patienten sprechen. Das ganze Gespräch ist besser. Sie wissen, was in der Vergangenheit stattgefunden hat. Sie haben die Daten zeitnah vorliegen. Auch die veranlassten Laborwerte sind da. Sie können die eigenen Daten über das PVS-System in Zukunft ökonomisch, schnell und simpel in die elektronische Patientenakte eingeben. Eine viel bessere Medizin, viel weniger Dokumentation, mehr Daten, mehr Sicherheit! Gleichzeitig werden diese Daten auf Vollständigkeit elektronisch überprüft. Viel weniger Fehler! Einfach in einem Satz gesagt: Eine bessere, effizientere Medizin, die anderswo schon praktiziert wird, die wir kennen, über die wir Jahre geredet haben, wird jetzt für 80 Prozent der Versicherten voraussichtlich schon 2025 die Basis sein. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorne. Wir ermöglichen auch Medizin, die es bisher gar nicht gab. Die Telemedizin zum Beispiel wird deutlich ausgedehnt, Telemedizin in Hochschulambulanzen, in der Psychotherapie. Wir entlasten die Praxen, sorgen aber für mehr und bessere Versorgung. Telemedizin ist für den Patienten eine neue Möglichkeit. Digitale Gesundheitsanwendungen verbessern – das ist belegt – die Versorgung von chronisch Kranken, zum Beispiel bei Diabetes, bei Herzinsuffizienz, bei Krebserkrankungen. Diese digitalen Anwendungen werden mit der elektronischen Patientenakte verknüpft, sodass auch diese Daten nutzbar gemacht werden. Eine neue Medizin, beschleunigt und besser, wird durch digitale Anwendungen, Telemedizin und das E-Rezept, ermöglicht. Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz greift wie ein Zahnrad in das Gesetz zur digitalen Patientenakte; denn mit der digitalen Nutzung der Gesundheitsdaten werden wir diese so aufbereiten, dass sie für die Forschung verwendet werden können. Nach dem GDNG, dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz, können die Daten aus der ePA, Daten aus den Abrechnungen der Krankenkassen, Registerdaten, zum Beispiel Daten aus den Krebsregistern, Genomdaten zusammengeführt werden in einer vertraulichen Arbeitsumgebung, in einem datengeschützten Raum – pseudonymisiert –, sodass diese Daten für Studien ausgewertet werden können. Sie können ausgewertet werden für das Trainieren von künstlicher Intelligenz. Sie können genutzt werden für die verbesserte Behandlung des Patienten im Rahmen der personalisierten Medizin. Gendaten, Studiendaten, Abrechnungsdaten, ePA-Daten kommen zusammen, werden ausgewertet und werden dann genutzt, um die Versorgung des Patienten zu verbessern. Das ist eine ganz andere Medizin, die wir hier machen. Das ist ein Durchbruch, der überall erwartet wird. Ja, gerne. Vielen Dank für diese Frage. – Ich möchte sie konkret und unpolemisch beantworten. Ich will aber auch darauf hinweisen, dass es genau diese Haltung gewesen ist, die dafür gesorgt hat, dass wir zehn Jahre lang keinen Fortschritt gehabt haben. Hier werden Ängste geschürt, die wissenschaftlich nicht begründet sind. Die vertrauenswürdige Umgebung dieses Systems, von dem Sie sagen, das habe in der Vergangenheit nicht funktioniert, gibt es ja erst seit ganz kurzer Zeit. Das Confidential Computing, das durch Hardware- und Softwarestruktur abgesichert ist – ein solches System konnte bisher noch nie gehackt werden –, gibt es noch nicht lange. Das nutzen wir. Wir nutzen die modernste Technologie. Trotzdem ist es wichtig, dass wir jeden mitnehmen. Es muss hier ganz klar gesagt werden: Derjenige, der nicht will, dass seine Daten zum Beispiel für die Pharmaforschung genutzt werden – nennen wir es doch beim Namen; das wird wahrscheinlich auch der Hintergrund Ihrer Frage sein –, der kann das abwählen; dann werden sie dafür nicht verwendet. Die Zwecke bestimmt der Patient selbst. Aber die Mehrheit der Patienten wird wünschen, dass wir ihre Daten verwenden, zum Beispiel für eine bessere Krebsbehandlung. Die Mehrheit der Menschen wird wünschen, dass wir ihre Daten nutzen, um ihre Kinder besser behandeln zu können. Somit gehen wir hier mit der Mehrheit, die sich das genau anschaut und uns vertraut und den vielen Wissenschaftlern und den Fachgesellschaften vertraut, die sich für ein solches Gesetz viele Jahre vergeblich eingesetzt haben. Die würde ich dann auch zulassen. Vielen Dank für diese Frage. – Ich muss korrigieren: Ich war, als dieses Gesetz damals besprochen wurde, nicht federführend für die Digitalisierung in meiner Fraktion zuständig. Ich persönlich habe es nie falsch gefunden, dass Wissenschaftler, Pharmafirmen und Medizinproduktehersteller gemeinsam forschen, wenn der Zweck klar definiert ist. Diese Vorbehalte habe ich nicht. Vielmehr ist ganz klar: Es ist kein Problem darin zu sehen, wenn Firmen – Pharmafirmen, Digitalfirmen, KI-Firmen, Medizinproduktefirmen – gute Produkte entwickeln mit diesen Daten, solange das Gemeinwohl dabei im Vordergrund steht und nicht der Profit. Das sichern wir durch dieses Gesetz. Die Versorgung wird für den Einzelnen besser werden. Die Deutsche Krebsgesellschaft verlangt nach einer solchen Regelung seit langer Zeit, aber auch viele andere wissenschaftliche Fachgesellschaften. Wir können es uns auch nicht leisten, dass wichtige Unternehmen in der Krebsforschung wie zum Beispiel BioNTech ihre Forschung nach England verlegen. BioNTech hat die Forschung zu Krebs in einem wichtigen Bereich nach England verlegt, weil man dort bessere Daten hat. Wir werden durch diese Gesetze in Zukunft Daten haben, die besser sind als die in England, und zwar deshalb, weil unser Datenschatz größer ist – wir sind ein größeres Land – und weil unsere Krankenkassen die Daten deutschlandweit auswerten lassen, nicht auf Regionen beschränkt, wie das beim NHS der Fall ist. Somit werden wir langfristig in Europa das interessanteste Land sein, in dem Wissenschaftler solche Studien überhaupt machen können. Wir schaffen eine besonders moderne Struktur. Ich möchte hier auch sagen: Ich halte es für richtig, wenn wir in diesen Bereichen neue Arbeitsplätze schaffen. Das muss ja auch mitbedacht werden. Wir müssen neue Arbeitsplätze aufbauen, damit wir unsere Kernkompetenzen in der Grundlagenforschung nutzen können, um den nächsten Schritt in die klinische Forschung, in die Produktentwicklung zu gehen. Was ist falsch daran, wenn Gewinne gemacht werden und Arbeitsplätze geschaffen werden im Zusammenhang mit einer besseren Medizin in der Krebsbehandlung zum Beispiel, die dann zum Schluss der ganzen Welt zugutekommen könnte? Das ist nicht unethisch, sondern das, was wir lange Zeit benötigt haben. Wir werden diese Gesetze mit einem Medizinforschungsgesetz begleiten, damit die Medizinforschung als Standortvorteil in Deutschland deutlich ausgebaut wird. Wir werden auch die gematik als die zentrale Struktur der Weiterentwicklung der Technologie vereinfachen und in eine digitale Netzagentur überführen, über die der Bund dann die Fachaufsicht hat. Wir werden die Projekte, die wir heute angestoßen haben, weiterführen. Aber insgesamt muss hier in den Vordergrund gestellt werden: Das ist keine abstrakte Angelegenheit, sondern etwas, was die tägliche Arbeit von Ärztinnen und Ärzten verändern, verbessern und vereinfachen wird. Die Daten werden schnell und zuverlässig da sein. Das wird in Deutschland eine Medizin ermöglichen, auf die wir warten. Es ist bei Wissenschaftlern unstrittig, dass künstliche Intelligenz und große Datenanalysen die Medizin mehr verändern werden als jede andere wissenschaftliche Errungenschaft, die wir derzeit beobachten. An diesem Fortschritt soll Deutschland, sollen auch die deutschen Patientinnen und Patienten teilhaben. Daher bitte ich Sie um Zustimmung zu diesen beiden wichtigen Gesetzen. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.