Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe jetzt ganz viel über Stil und Anstand gehört. Ich hätte mir gewünscht, dass der eine oder andere Redner vor mir diesen Maßstab im Umgang mit Kollegen, die andere Meinungen vertreten, auch an sich selbst angelegt hätte. Das gilt insbesondere für Sie, Herr Kubicki. Das fand ich sehr enttäuschend. Ich bin auch sehr enttäuscht, dass der eine oder andere nicht in der Lage ist, einen Antrag von Anfang bis Ende zu lesen. Er kann dann anderer Meinung sein; aber ich erwarte, dass er ihn liest und nicht Lügen über den Inhalt dieses Antrags verbreitet. Auch das hat etwas mit Stil und Anstand in dieser Debatte zu tun, und das vermisse ich hier ein zweites Mal. Da stellt sich dann schon die Frage, wer den demokratischen Institutionen mehr schadet: dieser Redestil und diese Auseinandersetzung mit einem seriösen Antrag oder der Antrag an sich. Ich möchte noch einmal sehr deutlich machen: Wir hätten guten Grund, uns heute über die Frage zu unterhalten, wie wir mit dieser Situation umgehen, die der Deutsche Bundestag noch nie hatte, nämlich dass sich eine Fraktion auflöst. Da gäbe es viele Fragen, die zu klären sind, die übrigens auch die Geschäftsordnung nicht regelt. Da gibt es die Frage nach den Redezeiten hier im Plenum. Da gibt es die Frage nach den Redezeiten im Ausschuss. Da gibt es die Frage: Welche Fragerechte bleiben eigentlich für die Gruppen übrig, wenn sie sich denn bilden? Was sich in der Tat nicht stellt, ist die Frage: Wer tritt zurück, und wer tritt nicht zurück? Das ist unbotmäßig. Und da bin ich ganz beim Kollegen Amthor: Solch einen Antrag überhaupt zuzulassen, war mit Sicherheit einer der größten Fehler, den Sie gemacht haben; denn er bringt uns jetzt genau zu der Debatte, die wir im Bundestag eigentlich nicht führen sollten, nämlich über die Qualifikation oder Nichtqualifikation von Frau Pau. Die ist unstrittig. Aber dass wir jetzt hier sitzen und so miteinander reden müssen, geht nur darauf zurück, dass Sie nicht den Mut hatten, diesen Antrag für unzulässig zu erklären. Sie hatten ihn nicht – wir hätten ihn gehabt! Und weil es jetzt immer hieß, wir müssten mal über die Geschäftsordnung sprechen: Ja, es ist relativ klar: Wir haben im Grundgesetz eine Regelung, die besagt: Der Bundestag wählt seine Präsidenten und deren Stellvertreter. § 2 Absatz 1 Satz 1 unserer Geschäftsordnung präzisiert das: Das gilt für die Dauer einer Wahlperiode. – So weit, so richtig. So ist es mit Wahlen in einer Demokratie, und da muss man dann auch durch, egal ob es einem passt, wie die Wahlen ausgegangen sind oder eben nicht. Das schützt sowohl das Amt, aber auch die Person vor unbotmäßigen Angriffen. Nein. – Das ermöglicht den Mitgliedern des Präsidiums zudem, vielleicht auch mal gegen die Fraktion, von der sie vorgeschlagen wurden, zu handeln, und auch das ist richtig und gewollt. Allerdings gibt es in § 2 unserer Geschäftsordnung auch noch den Absatz 1 Satz 2. Der besagt: Mindestens eine Vizepräsidentin oder ein Vizepräsident einer Fraktion muss im Präsidium vertreten sein. Auch hier: So weit, so gut. Eine umfassende Vertretung soll damit sichergestellt sein. Allerdings haben wir ein zweigleisiges Verfahren: Zunächst einmal muss derjenige nämlich von einer – Achtung! – Fraktion vorgeschlagen worden sein. Diese Voraussetzung erfüllten die Kandidaten, jedenfalls bis vor wenigen Tagen. Und so hat es auch das Bundesverfassungsgericht relativ eindeutig gesehen: § 2 Absatz 1 Satz 2 der Geschäftsordnung ist darauf beschränkt, dass eine Fraktion einen Kandidaten vorschlagen kann. Über die Besetzung wird in freier Wahl entschieden. Damit führt dieser Paragraf unserer Geschäftsordnung weder zu einem Anspruch auf einen Sitz im Präsidium – das trifft Sie. – Das sehen wir wiederum anders. – Noch heißt es, dass dieser Sitz automatisch verloren geht, wenn die Fraktion sich auflöst. Ihnen ist das egal; wir aber kommen ehrlicherweise zu einer anderen Einschätzung. Wir glauben, dass wir uns – und nichts anderes steht in unserem Antrag – in unserem Ausschuss für Geschäftsordnung zwingend einmal darüber unterhalten sollten, wie wir mit einer solchen Situation umgehen – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich kann ehrlicherweise nicht sehen, wo darin das Problem liegen soll. Frau Pau repräsentiert keine Fraktion mehr. Sie kann damit auch keine Vermittlungsrolle für ihre nicht mehr vorhandene Fraktion im Präsidium wahrnehmen. Und damit haben wir im Präsidium eine deutlich verzerrte Situation. Das kann man akzeptieren, man muss es aber nicht akzeptieren. Wir akzeptieren es so nicht und haben deswegen angeregt, eine entsprechende Debatte im Geschäftsordnungsausschuss zu führen. Ich sehe nichts Verwerfliches darin und kann uns nur dazu auffordern, das auch in aller Sachlichkeit zu tun. Vielen Dank.