– Ja, das mag ja alles sein, dass es ganz dünn ist. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Antrag der AfD-Fraktion muss ich eigentlich nicht viel sagen. Als ich ihn gelesen habe, war mir klar: Der muss von Stephan Brandner geschrieben worden sein, weil er juristische Kenntnisse vortäuscht, die offensichtlich nicht vorhanden sind. Hätten Sie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2022 im Organstreitverfahren, mit dem Sie sich ja in das Präsidium einklagen wollten, gelesen oder ansatzweise verstanden, dann hätte Ihnen einleuchten müssen, dass dieser Antrag ohne rechtliche Substanz ist. Eine Wahl, die für die Dauer einer Wahlperiode gilt, gilt für die Dauer einer Wahlperiode, nicht kürzer und nicht länger. Und die Tatsache, dass wir heute hier debattieren, zeigt: Der Bundestag hat sich noch nicht aufgelöst. Abgesehen davon: Wie sinnvoll ist es, einen Antrag zu schreiben, in dem die Bundestagsvizepräsidentin aufgefordert wird, zurückzutreten? Das ist immer noch eine individuelle Entscheidung. Würden solche Aufforderungen Wirkung zeigen, Herr Brandner, würde ich mich dafür einsetzen, dass wir als Deutscher Bundestag beschließen, die AfD-Abgeordneten sollten ihre Mandate zurückgeben, weil sie offensichtlich an einer vernünftigen parlamentarischen Arbeit kein Interesse haben. Aber darum ging es ja eigentlich gar nicht, Herr Brandner. Es ging darum, weinerlich darauf hinzuweisen, dass im Gegensatz zu Petra Pau bisher keiner Ihrer Kandidaten die erforderliche Mehrheit dieses Hauses erhalten hat. Und ich treffe im Angesicht dieser Debatte die mutige Feststellung: Das wird auch so bleiben. Wir können Ihrem Antrag schon deshalb nicht zustimmen, weil Sie darin festhalten, dass das Präsidium nicht ordnungsgemäß besetzt sei und deshalb alle Entscheidungen des Präsidiums unter einem rechtlichen Vorbehalt stünden. Und Sie wollen ferner erklären, der Skandal des fortgesetzten Rechtsbruchs würde weiter vertieft. Ich empfehle Ihnen einfach nur mal die Lektüre des Verfassungsgerichtsurteils, weil die Rechte, die Sie reklamieren – wie das Verfassungsgericht zu Recht gesagt hat –, unter dem Vorbehalt einer Wahl des Deutschen Bundestages stehen. Und da Sie diese Wahlen nicht bestehen, ist alles, was hier passiert, rechtmäßig. Das hat Ihnen das Verfassungsgericht ins Stammbuch geschrieben, und daran sollten Sie sich vielleicht mal halten. Kommen wir zum Antrag der Unionsfraktion. Ich hätte es nicht geglaubt; aber dieser Antrag ist noch ein kleines bisschen schlechter als derjenige der AfD-Fraktion. Ich will zunächst festhalten: Wir Freie Demokraten haben mit den Linken zwar nichts gemein; wir sind aber auch nicht gemein zu den Linken. Ich habe es an anderer Stelle schon mal gesagt: Man kann von uns nicht erwarten, dass das Ende der Linksfraktion von uns politisch betrauert wird. Aber trotzdem gibt es seit geraumer Zeit menschliche Verbindungen. Für einige der Kolleginnen und Kollegen tut es mir wirklich leid. Ich finde es beschämend, dass dieses Parlament diese Anträge debattieren muss. Der Antrag der Unionsfraktion ist eine intellektuelle Enttäuschung, Herr Amthor, auch wenn Sie immer glauben, Sie seien der neue Staatsrechtler im Kommen. Entweder, Herr Amthor, es ist evident verfassungswidrig, dass Petra Pau ohne Fraktionsmitgliedschaft Vizepräsidentin bleibt, wie Sie ja in Ihrem Antrag schreiben, oder aber es bedarf einer Klarstellung in der Geschäftsordnung. Beides gleichzeitig geht nicht. Und wenn es evident verfassungswidrig ist: Warum klagen Sie dann nicht gleich und unterlassen diese unwürdige Show? Dass Sie sich vor den Karren der AfD spannen lassen – – und dabei zu einer Delegitimierung des Bundestagspräsidiums insgesamt beitragen, ist wirklich enttäuschend. Denn mit Ihrem Angriff auf Vizepräsidentin Pau erwecken Sie nämlich auch den Eindruck, beispielsweise die Kollegin Yvonne Magwas wäre die Vizepräsidentin der CDU/CSU-Fraktion im Präsidium des Bundestages und nicht Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Mit dem Wahlakt ist die Zugehörigkeit zur Partei ohne jede Bedeutung. Das würde ansonsten die Fraktionen – – Sofort. Ich habe es gesehen, Frau Präsidentin. Doch, doch. Ich will nur den Satz zu Ende bringen, damit Herr Amthor darauf auch intellektuell angemessen reagieren kann. Mit diesem Satz erlauben Sie es den Fraktionen, darüber zu bestimmen, ob jemand Vizepräsident bleiben darf oder nicht, weil man jemanden einfach aus der Fraktion ausschließen kann, wenn er einem nicht gefällt. Und genau das ist in 70 Jahren Parlamentsgeschichte von den Vätern und Müttern, die Sie immer gerne heranziehen, auch Ihrer Partei, nicht gewollt worden, weshalb die Regelung geschaffen worden ist: Es bleibt bei der einmaligen Wahl für die Dauer der Legislatur. Sie reden von einer Brandmauer zur AfD. Sie sind gerade dabei, ohne Not selbst einen Brand zu legen. Und nun erlaube ich die Zwischenfrage. – Dankenswerterweise entscheiden Sie das nicht, Herr Brandner. Lieber Kollege Amthor, dass Sie mir jetzt unterstellen, ich hätte diese Debatte provoziert, finde ich ziemlich komisch; denn die Debatte findet deshalb statt, weil solche Anträge gestellt worden sind. Und wenn Sie jetzt erklären, die Union wäre ihrem doch tiefgründigen Gedanken nicht mehr nachgegangen, hätte die AfD den Antrag nicht gestellt, dann stellen Sie sich auch ein schlechtes Zeugnis aus. Entweder es geht Ihnen um die Sache – dann spielt es keine Rolle, ob sie den Antrag gestellt hat oder nicht –, oder es geht Ihnen nicht um die Sache; dann ist es eine reine Showveranstaltung, was ich glaube, dass es tatsächlich ist. Ein letzter Satz, Herr Amthor. Sie schreiben in Ihrem Antrag, nachdem Sie über anderthalb Seiten das Framing der AfD definitiv bedienen, obwohl Sie es wahrscheinlich nicht begreifen – aber ich erkläre es Ihnen gerne séparé noch mal –: Das ist die Erklärung dafür, dass das verfassungswidrig ist, was wir hier gerade treiben. Und Sie wissen, dass das nicht stimmt; das ist ja das Problem bei Ihnen. – Das steht doch hier in Ihrem Antrag, mein Gott! Herr Kollege Amthor, fragen Sie freundlicherweise die von Ihnen entsandte, vorgeschlagene und vom Bundestag mit Mehrheit gewählte Kollegin aus dem Präsidium des Deutschen Bundestages, Yvonne Magwas. Fragen Sie sie einfach mal, weil wir uns darüber natürlich austauschen. Es gab dazu im Präsidium unterschiedliche Auffassungen; aber wir folgen immer den Ratschlägen unseres eigenen juristischen Dienstes. Und bevor wir uns das Risiko an die Backe holen, dass die AfD nach Karlsruhe geht und Recht bekommt, führen wir lieber diese Debatte, und wir führen sie im Zweifel auch zu Ende. Ich empfehle Ihnen einfach politische Bildungsarbeit bei Ihrer eigenen Stiftung. Denn der Kollege Lammert, der ja offensichtlich Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung ist, hat dazu das Entscheidende gesagt; vielleicht hören Sie mal auf den. Er hat nämlich erklärt: Frau Pau sei „mit überzeugender Mehrheit aller Mitglieder des Hauses inzwischen mehrfach für die Dauer der Legislaturperiode als Vizepräsidentin gewählt und im Amt bestätigt worden“. Dieses Amt dürfe laut Lammert nicht „von der Zugehörigkeit zu einer Fraktion“ abhängig gemacht werden. Die Legitimation beruhe vielmehr auf der „souveränen Entscheidung aller Mitglieder des Deutschen Bundestages“. Norbert Lammert ist, wie gesagt, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung. Nehmen Sie an den dortigen Bildungsveranstaltungen teil! Dann ersparen Sie uns hier entsprechende Debatten. Es ist offensichtlich, dass es in dieser Debatte nicht um rechtliche oder rechtsstaatliche Erwägungen geht; es geht heute vielmehr um Stil und Anstand. Ich sage jetzt hier ausdrücklich an Friedrich Merz gerichtet, der bedauerlicherweise nicht da ist: Ich habe es heute Morgen nachvollziehen können, dass er sich über die Worte der Vorsitzenden der SPD auf dem SPD-Parteitag wirklich echauffiert hat. Nun wissen wir alle: Parteitage haben eine eigene Dynamik. Da muss man mal gelegentlich ein bisschen Schwung in die Bude bringen. Ich weiß das wahrscheinlich besser als jeder andere. Gleichwohl richte ich zum Schluss ein persönliches Wort an Friedrich Merz. Ich sage ausdrücklich: Wer Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden will, beteiligt sich nicht an einem solchen Schmierentheater, das die zentrale demokratische Institution infrage stellt. Mein letzter Satz, Frau Präsidentin – ich möchte von Ihnen nicht gerügt werden oder das Mikrofon abgestellt bekommen –, wirklich: Ich hoffe inständig, dass Vizepräsidentin Pau sich von diesen unbotmäßigen Angriffen nicht beeindrucken lässt. Herzlichen Dank.