Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Eichwede, ich muss das zunächst sagen: Schön, wenn Sie sich hier herzen lassen! Aber wenn Sie den Antrag der AfD mit dem Antrag der Union gleichsetzen, dann ist das übler Populismus und hat nichts mit dem Inhalt dieses Antrages zu tun. Liebe Kolleginnen und Kollegen, um es sachlich zu betrachten: Ja, nach der Auflösung der Linksfraktion ist die Kollegin Pau eine fraktionslose Abgeordnete, und es entspricht nicht dem Zielbild der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, dass fraktionslose Abgeordnete Mitglieder des Präsidiums dieses Bundestages sind. Um Vizepräsident zu werden, braucht ein Abgeordneter eine doppelte Legitimation: Man muss erstens von einer Fraktion vorgeschlagen werden und zweitens – daran scheitert die AfD – von einer Mehrheit dieses Hauses gewählt werden. Das war bei Frau Pau der Fall. Mit der Auflösung der Linksfraktion ist jetzt aber die erste Voraussetzung dieser Legitimation, nämlich dass es eine Trägerfraktion gibt, entfallen. Im Falle einer hypothetischen Neuwahl des Präsidiums könnte Frau Pau heute nicht mehr für dieses Amt vorgeschlagen werden, es sei denn, eine andere Fraktion schlägt sie vor. Und deswegen finde ich es legitim, dass man hier die Frage stellt, ob sie dieses Amt behalten kann. Das ist eine legitime Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich sage Ihnen aber auch: Ich finde es schon unwürdig, wie wir das hier emotional diskutieren. Da kann sich die AfD bei Ihnen und beim Bundestagspräsidium bedanken. Nach unserer Auffassung ist der Antrag der AfD unzulässig, liebe Kolleginnen und Kollegen. Zwar wurde die Abwahlaufforderung gestrichen; aber meine Fraktion vertritt die klare Rechtsauffassung, dass auch Rücktrittsaufforderungen und Missbilligungsanträge in diesem Haus unzulässig sind. Es hätte nach § 126 der Geschäftsordnung eine Zweidrittelmehrheit gebraucht, um diesen AfD-Antrag zuzulassen. Wir hätten ihn für unzulässig erklären sollen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wenn Sie das zugestehen, Frau Eichwede: Ich hätte mir anstelle dieser Debatte gewünscht, dass wir diesen Antrag für unzulässig erklärt hätten. Wir haben seit über 70 Jahren in diesem Haus eine Tradition, von der die Ampel heute abgewichen ist. 1949 gab es einen Misstrauensantrag der KPD gegen den Bundestagspräsidenten Erich Köhler. Er war unzulässig. – 1950 gab es hier eine kontroverse Geschäftsordnungsdebatte und einen SPD-Appell an einen freiwilligen Rücktritt des Bundestagspräsidenten, fast wortgleich mit dem heute vorliegenden AfD-Antrag. Richtigerweise hat das Parlament diesen Antrag für unzulässig erklärt. Der Parlamentarische Geschäftsführer meiner Fraktion, Carl Schröter, hat zutreffend festgestellt: Es gibt keinen Unterschied zwischen einem politischen Abwahlantrag und einem vermeintlich weniger politischen Antrag auf freiwilligen Rücktritt. – Gerade angesichts der Geschichte der SPD hätten Sie sich doch bitte an den Fall erinnern sollen, auf den meine Fraktion hingewiesen hat: 1950 hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion darauf hingewiesen, dass 1932 die Nationalsozialisten und die Deutschnationalen den Reichstagspräsidenten Paul Löbe, SPD, abwählen wollten. Zu Recht wurde der damalige Antrag für unzulässig erklärt. Das wäre heute auch richtig gewesen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Diese Debatte hätten Sie verhindern können. Aber wenn man in die Sachdebatte einsteigt, sage ich Ihnen schon: Ja, aus unserer Sicht sollte die Geschäftsordnung – unabhängig von der Person – um eine Regelung zur Abwahl von Mitgliedern des Bundestagspräsidiums ergänzt werden. Denn eine Abwahl von Bundestags- und Präsidiumsmitgliedern ist, anders, als es die AfD sagt, nicht allein auf der Grundlage eines Actus contrarius möglich, sondern nur dann, wenn man sie vorher in der Geschäftsordnung regelt. Dafür sprechen die besseren rechtsdogmatischen Argumente, und es ist auch ein staatspolitisches Gebot, bevor man einen so hochrangigen Parlamentsrepräsentanten abwählen will, in der Geschäftsordnung erst einmal eine Regelung festzulegen, wie denn eine solche Abwahl stattfinden soll. Und nichts anderes haben wir beantragt. Wir wollten hier keine Debatte über Frau Pau, sondern eine Regelung und eine Debatte über eine sinnvolle Weiterentwicklung des Parlamentsrechts. Dass Sie das so aufheizen, ist Ihr Problem. Das ist das Geschäft der AfD. Wir machen Sacharbeit im Parlament, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich will aber noch – das ist der letzte Gedanke – einen historischen Fall ins Rennen bringen, der vielleicht auch für Frau Pau interessant ist. Ich erinnere an den Bundestagsvizepräsidenten Victor-Emanuel Preusker. Er wurde 1958 für die Deutsche Partei, DP, Vizepräsident des Bundestages. Nach der Auflösung der DP-Fraktion ist er 1960 zur CDU/CSU gewechselt, und die SPD hat beantragt, die Geschäftsordnung zu ändern, damit er sein Amt verliert. Was für ein kluger Vorschlag der SPD! Dazu kam es nicht, weil der Abgeordnete Preusker – ich zitiere zum Schluss – folgenden Satz geprägt hat: Da die politischen Voraussetzungen für meine seinerzeitige Wahl zum Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages entfallen sind, lege ich hiermit dieses Amt nieder. Was für ein kluger Satz, liebe Kolleginnen und Kollegen!