- Bundestagsanalysen
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste!
„Schlagen Sie Ihre Zeitung an irgendeinem beliebigen Tag auf, und Sie werden eine Meldung aus irgendeinem Teil der Welt lesen: ‚Ein Mensch ist eingekerkert, gefoltert, hingerichtet worden, weil seine Ansichten oder religiösen Überzeugungen nicht mit denen der Regierung übereinstimmenʼ.“
Das schrieb Peter Benenson, der Gründer von Amnesty International im Jahr 1961.
Es ist bitter, sich eingestehen zu müssen, dass dieser Satz seine Gültigkeit über Jahrzehnte bis heute bewahrt hat. Als vor 75 Jahren, am 10. Dezember 1948, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündet wurde, war das ein historischer Moment; ein Meilenstein für die ganze Welt war gelegt. Den maßgeblichen Protagonistinnen und Protagonisten hinter dem Papier war unter dem Vorsitz von Eleanor Roosevelt etwas gelungen, was es zuvor nie gegeben hatte: Zum ersten Mal in der Geschichte hatte man Regeln geschaffen, auf die sich zumindest in der Theorie jede und jeder berufen konnte.
Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg brachen mit den beiden Sätzen: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“ etwas Licht und Hoffnung durch die dunklen Wolken durch. Die Definition von bürgerlichen, politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Rechten, wie zum Beispiel das Recht auf soziale Sicherung, faire Löhne, Recht auf angemessenen Wohnraum, Recht auf Asyl etc. – viele ursozialdemokratische Anliegen –, wurde in 30 Artikeln verankert.
Schaut man sich aber die Entwicklungen der letzten Jahre an, dann ist es sicher nicht verkehrt, dass das Bekenntnis der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ein Update braucht, und zwar ganz dringend. Mitten in Europa werden die Menschen in der Ukraine von einem Größenwahnsinnigen der Russischen Föderation angegriffen, weil sie selbstbestimmt in Freiheit leben wollen. Zigtausende mussten sterben, Millionen haben ihre Heimat verloren, Tausende Kinder wurden verschleppt. Kein Kind sollte seine Kindheit in Schutzbunkern zwischen Raketeneinschlägen verbringen müssen. Niemals sollten Terror, Krieg oder Angst ständige Begleiter einer Kindheit sein –
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
nicht in der Ukraine, nicht in Israel und auch nicht in Gaza.
Am 7. Oktober haben die Hamasterroristen in Israel ein bestialisches Massaker angerichtet. Viele Männer, Frauen und Kinder mussten sterben, weil sie Jüdinnen und Juden waren. Viele sind noch in den Händen der Terroristen. Das ist wirklich kaum auszuhalten. Alle Geiseln müssen sofort freigelassen werden.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Ich habe mir eine kurze Sequenz der Aufnahmen der Hamasterroristen angeschaut, und seither begleiten mich diese Bilder und bringen mich um den Schlaf. Diese Entmenschlichung von Menschen durch Terroristen ist einfach nur widerwärtig und schockierend.
Zu diesen grauenvollen Bildern haben sich nun Bilder der humanitären Katastrophe in Gaza gesellt: Tausende tote Kinder, Leichname unter den Trümmerwüsten, hungernde und durstende Menschen, die in ihrer Verzweiflung Meerwasser trinken.
Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])
Auch die Kinder in Gaza haben Rechte. Kein Kind wird als Terrorist oder Extremist geboren. Und genau das ist es doch, was in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert ist: Die Gültigkeit von Menschenrechten unterscheidet eben nicht nach Hautfarbe, nicht nach Religion oder Herkunft. Menschenrechte gelten nicht nach Himmelsrichtung und nicht nach Kontinent. Menschenrechte kennen weder Süden, Norden, Osten oder Westen. Und so banal das auch klingen mag: Jeder Mensch hat das Recht, Rechte zu haben.
In Diktaturen und Autokratien interessiert das aber leider niemanden. Die Mullahs im Iran schon gar nicht. Gestern vor einem Jahr wurde im Iran der 23-jährige Majidreza Rahnavard hingerichtet. Die Sehnsucht nach Freiheit, die er auf die Straße trug, hat er mit seinem Leben bezahlt. Er war und blieb leider nicht der Einzige. Folter, Vergewaltigung, Staatsterror gehören im Iran zur Tagesordnung.
Und je länger man über die weltweiten Menschenrechtsverletzungen nachdenkt, umso düsterer wird das Bild: die Situation der Frauen und Mädchen in Afghanistan, die Hoffnungslosigkeit der Jesidinnen in den Camps im Irak, das grauenvolle Morden im Sudan, die Internierungslager in China, rassistische Angriffe hier bei uns im Land. Und die Liste scheint tatsächlich kein Ende zu nehmen.
Auf meinem Schreibtisch liegt ein Stapel mit Postkarten, die ich regelmäßig zum Jahresende an inhaftierte Journalistinnen und Journalisten und politische Gefangene in der Türkei sende. Natürlich bekomme ich nie eine Antwort zurück, und darum geht es auch gar nicht. Es geht darum, den Unterdrückten zu zeigen, dass wir sie sehen, dass wir sie nicht vergessen, zu zeigen, dass es Demokratinnen und Demokraten gibt, die an der Seite derjenigen stehen, die Menschenrechte verteidigen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
„Menschenrechte“ ist in der Nacktheit erst mal nur ein Wort. Es ist an uns, diesem Wort Bedeutung und Inhalt zu geben. Dort, wo die Fähigkeit zur Empathie nicht verlernt wurde, haben Menschenrechte ein gesundes Umfeld. Uns kann das gelingen, was auch vor 75 Jahren gelungen ist. Dafür muss die aufgeklärte Welt, dafür müssen die Demokratien zusammenstehen und vor allem mehr Empathie wagen.
Und noch etwas: Free Assange und alle anderen politischen Gefangenen! Happy Birthday, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte!
Vielen Dank.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Der nächste Redner in der Debatte ist Jürgen Braun für die AfD Fraktion.
Beifall bei der AfD)