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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute 75 Jahre der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte mit einer Debatte würdigen, dann würdigen wir eine der größten zivilisatorischen Revolutionen der Menschheitsgeschichte. „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ So sagt es der Artikel 1. Dass es gelungen war, über ganz verschiedene Gesellschaftsordnungen hinweg einen Grundkonsens über die Würde des Menschen herzustellen, kann in der Rückschau betrachtet als politisches Wunder gesehen werden.
Zugleich müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass heute, im Jahr 75 der Geltung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die Zeit vor 1945 in Gedanken und in Taten wieder zurückzukehren droht. Konkret: Die gewaltsame Ausbreitung von totalitären Ideologien stellt die Welt erneut vor eine globale Herausforderung. Statt die Menschenrechte zu verteidigen, sind mächtige Regime dabei, in gewaltigem Ausmaß Menschen gezielt zu vernichten. Dabei geht dies bis hin zur totalen Vernichtung. Es geht um Zerstörung von Kultur, von Geschichte und kulturellen Wurzeln. Die Opfer, andere Menschen, werden ihrer Würde beraubt und zu Untermenschen degradiert.
Das gilt nicht nur für die Ukraine, wo Putin die totale Vernichtung der Ukrainer als historische, kulturelle und europäische Nation als Ziel verfolgt. Das gilt nicht nur für China, das Millionen muslimischen Uiguren, tibetischen Buddhisten und auch immer mehr den auf 100 Millionen angewachsenen Christen den Kampf angesagt hat und das in Xinjiang und Tibet nicht einmal vor Genozid zurückschreckt. Das gilt auch für Hamas, für die Hisbollah und den Iran, die, wie damals die Nazis, die Juden vom Erdboden vernichten wollen.
Im Ergebnis müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die große zivilisatorische Errungenschaft der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in großer Gefahr ist. Denn es gibt mächtige Akteure, die der globalen Ordnung, die als Fundament die Erklärung der Menschenrechte hat, den totalen Krieg erklärt haben. Diese Kräfte haben sich verbündet, und ihre Verbindung wird stärker. Und diese Kräfte fühlen sich auch deswegen stärker, weil sie uns zunehmend schwach sehen. Diese Kräfte glauben an den Endsieg – an den Endsieg über Demokratie, Menschenrechte, über ein globales System, das als Grundlage für den globalen Frieden über viele Jahrzehnte hinweg gilt.
Zur Verteidigung der Menschenrechte, der Menschenwürde und der offenen Gesellschaft zählt, was Karl Popper, der Erfinder des Begriffs „offene Gesellschaft“ aus der Erfahrung des Nationalsozialismus treffend formuliert hat: Die offene Gesellschaft, eine Gesellschaft, eine Welt der Toleranz, darf gegenüber den Feinden der Toleranz – ich ergänze: der Menschenrechte – keine Toleranz üben. – Die Verteidiger der Menschenrechte müssen dieses Fundament entschlossen verteidigen. Es darf den Endsieg gegen Freiheit und Toleranz, über die freiheitlichen Gesellschaften nicht geben.
Niemand hier im Bundestag und darüber hinaus darf sich täuschen: Wer Opportunismus meint und Geopolitik sagt, der bereitet die Niederlage der freien Gesellschaften, der Freiheit und der Menschenrechte mit vor. Werden die Verfechter der Menschenrechte nur noch als schwach und opportunistisch wahrgenommen, verliert das Konzept an Ausstrahlung. Dabei setzen doch viele Menschen in der ganzen Welt gerade jetzt darauf, dass wir es ernst meinen mit den Menschen und ihrer Würde und ihren Rechten. Wir haben Hunderten Millionen die Hoffnung gegeben, auch in Freiheit und Würde leben zu dürfen. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen.
Es ist an der Zeit, endlich kämpferischer zu werden, aktiver zu werden, nicht nur in Reden hier und in Pressestatements dort. Es ist an der Zeit, aktiver dafür zu kämpfen, dass wir auch noch 100 Jahre der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte begehen. Lassen Sie uns gemeinsam die Menschen und ihre Würde aktiv verteidigen gegen deren globalen Feinde. Wir sind es denjenigen schuldig, die auf uns setzen, und auch uns selbst.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Die nächste Rednerin ist Derya Türk-Nachbaur für die SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)