Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir haben ein Problem. Wir haben ein großes Problem. Wir haben ein großes Bildungsproblem. Ich bin ehrlicherweise sehr froh, dass wir das auch hier im Deutschen Bundestag diskutieren. Ich halte nichts davon, sich jetzt einen schlanken Fuß zu machen – die wenigsten von uns tun das hier – und alle Verantwortung in die Länder zu schieben. Sie wissen ja selber, wie das ist, wenn Sie unterwegs sind: Die Eltern sprechen Sie an, und sie machen keine Unterscheidung: „Wer ist zuständig? Wer ist nicht zuständig?“, sondern sie wollen Lösungen sehen. Darum möchte ich in allererster Linie davor warnen, jetzt schaufensterartig Strukturreformen zu debattieren, zu überlegen: Können wir die KMK reformieren? Ja, müssen wir wahrscheinlich; aber davon lernt kein Kind schneller und besser lesen. Deswegen, denke ich, sind die Ansätze, die wir jetzt hier von unterschiedlicher Seite gehört haben, natürlich die einzig richtigen. Ich habe heute mit großem Interesse im Bildungsausschuss unserem Fachgespräch gelauscht, und es sind natürlich zwei Punkte ganz deutlich herausgestochen: zum einen – ich denke, das war vielleicht für uns alle durchaus überraschend –, dass die Coronaspätfolgen noch so massiv nachhängen. Ich habe heute im Ausschuss sehr deutlich gesagt – dazu bekenne ich mich auch –: Ja, die Schulschließungen waren in der Länge und in der Intensität ein Fehler, und das sollte uns nie mehr wieder passieren. Nichtsdestotrotz gilt es jetzt, diese Folgen aufzuholen, und da müssen wir alle sehr schnell in die Puschen kommen, ohne wieder mit Schuldzuweisungen anzufangen. Ja, „Aufholen nach Corona“ war ein gutes Programm. Es war nicht perfekt, keine Frage; aber es adressierte das richtige Problem. Das jetzt einzustampfen, weil Corona vermeintlich vorbei ist, ist sicherlich ein sehr großer Fehler gewesen. Wir hätten uns gerne an der Fortentwicklung des Programms beteiligt, und wir hätten auch sehr gerne die Länder dabei in die Pflicht genommen, die entsprechenden Förderstrukturen entweder aufzubauen oder deutlich zu verbessern. Das kann ich leider niemandem hier im Raum ersparen. Das zweite Thema ist natürlich der Faktor „Bildungsferne Familien und Migrationshintergrund“. Beides muss man übrigens zusammensehen. Beides ist nicht immer identisch: Es gibt genügend deutsche Familien, die ebenfalls bildungsfern sind, und es gibt genügend deutsche Kinder, die die gleiche Sprachförderung verdient hätten wie viele Kinder mit Migrationshintergrund. Ich glaube, da müssen wir ansetzen. Mein Kollege Thomas Jarzombek hat es so schön gesagt: „Die größte Anstrengung für die Kleinsten!“ Ja, bei der frühkindlichen Bildung – wir haben es heute deutlich gehört – hängen wir massiv hinterher, und wir müssen die Kitas besser nutzen – voll d'accord. Da müssen wir uns jetzt aber von Bundesseite auf den Weg machen. In Zeiten wie diesen die Sprach-Kitas, liebe Kollegin, einzustampfen, sie den Ländern vor die Füße zu werfen und sich dann hier diesen vielzitierten schlanken Fuß zu machen und zu sagen: „Die Länder werden es schon irgendwie hinkriegen“, war ein Riesenfehler. Das kann ich Ihnen hier nicht ersparen. Warum ist es ein Riesenfehler gewesen? Weil Sie damit Strukturen durch Unsicherheit im Personal zerstört haben, weil Ihnen die Leute in der Zwischenzeit, wo nicht klar war, wie es weitergeht, davongelaufen sind. Wir hätten jetzt eine Struktur in bestehenden Kitas. Die könnten wir ausbauen. Die könnten wir verdoppeln, verdreifachen, da, wo es notwendig ist. Nein, Sie wussten es besser. Es war Ihnen nicht wert, dass wir dieses wirklich gute Programm fortführen. Eine grüne Ministerin hat es beerdigt. Ein großer Fehler! – Ich verstehe das. Wenn ich so einen Mist gebaut hätte, wäre ich jetzt auch laut oder besser leise. Das Nächste. Zu den Strukturreformen habe ich das Notwendige gesagt. Ich will aber noch eines sehr deutlich machen: Wir müssen auch ein bisschen weg von der Kuschelpädagogik. Das sage ich in aller Deutlichkeit. Ich glaube, es hilft keinem weiter, wenn man ihn pampert, verhätschelt und nichts fordert. Wir müssen wieder klarmachen: Leistung hat in der Schule schon ihren berechtigten Platz. – Und je diverser und je heterogener Klassen und Schulgemeinschaften aufgestellt sind, umso wichtiger sind auch die Themen Leistung und Disziplin. Da dürfen wir uns definitiv nichts vormachen. Das ist auch etwas, was Lehrer einfordern, wo sie auch deutlich mehr Rückendeckung von der Politik brauchen könnten. Das ist so ein softes Thema, das aber vielleicht gar nicht soft ist, sondern knallhart ist, weil es vielen vor Ort riesige Probleme macht. – Wissen Sie, lieber Herr Kollege: nicht immer nur den Forschern glauben, sondern auch mal mit Praktikern reden. Sie wissen es oftmals deutlich besser. In diesem Sinne: Wir haben einiges vor uns. Wir sind gerne dabei, gemeinsam mit den Ländern im Rahmen der bestehenden Strukturen das Problem zu lösen. Es ist uns nach 2000 im Bildungsföderalismus gelungen, aus dem ersten PISA-Schock wirklich was rauszuholen. Versuchen wir, das beim zweiten auch hinzubekommen! Vielen Dank.