Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Deprimierende an dieser PISA-Studie ist ja wirklich, dass wir belegt bekommen haben, dass wir trotz aller erheblichen Anstrengungen, die es – das wird niemand bestreiten – in den Schulen, in den Ländern, in den Kommunen und auch im Bund gegeben hat, tatsächlich da gelandet sind, wo wir 2001 nach der ersten PISA-Studie losgelaufen sind. Deswegen glaube ich, wir sollten solche Debatten nicht nutzen, um Symboldebatten zu führen, um das zu sagen, was wir immer schon sagen wollten, sondern wir müssen dafür sorgen, dass es eine klare Strategie gibt. Wir dürfen uns an diese schlechten Leistungsergebnisse nicht gewöhnen, nur um das zu sagen, was wir immer schon gesagt haben, weil es erwartbar war. Es darf in der deutschen Bildungspolitik keinen Effekt der Gewöhnung an schlechte Studien geben, meine Damen und Herren. Was wir machen müssen, ist, glaube ich, uns klar an Zielen zu orientieren – Ziele, die wir vorgeben, die für das System wichtig sind – und sie kontinuierlich zu verfolgen. Denn ein Drama der deutschen Bildungspolitik ist in Wahrheit auch, dass dort, wo es viele Wechsel der Konstellationen gegeben hat, sich jede neue Landes- und Bundesregierung an irgendeiner Stelle selbst noch mal einbringen wollte. Ich glaube, dass wir eine kontinuierliche und dauerhafte Zielerreichung brauchen, in einer gesamtstaatlichen Anstrengung von Bund, Ländern und Kommunen. Deshalb glaube ich auch, dass das Kooperationsgebot, wie wir es in unseren Koalitionsvertrag geschrieben haben, die richtige Antwort ist, und zwar, darauf aufbauend, auch auf die PISA-Studie. Ich will vier Ziele nennen, meine Damen und Herren. Erstens. Wir dürfen und wir können auch gar nicht auf irgendein Talent in Deutschland verzichten. Die größte Herausforderung nach allen Leistungsuntersuchungen, die wir haben, ist, dass der Bildungserfolg immer noch massiv von der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schüler abhängig ist, übrigens wie in keinem anderen Industrieland, das in der PISA-Studie untersucht worden ist. Deshalb haben wir uns auf den Weg gemacht. Wir haben in der letzten Wahlperiode die Initiative „Schule macht stark“ begonnen, und wir haben das jetzt in der Ampel vervielfacht und mit dem Startchancen-Programm noch mit einem viel größeren Wumms versehen: Bund und Länder werden 20 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren in Schulen in sozial schwierigen Lagen investieren. Damit wollen wir 10 Prozent aller Schulen in Deutschland erreichen. Das ist eine große Herausforderung, aber auch eine gute Antwort darauf, dass wir dorthin gehen, wo wir die Talente auf keinen Fall verlieren dürfen, nämlich da, wo die Herausforderungen am größten sind. Natürlich würden wir uns wünschen, dass das noch viel mehr Schulen erreicht, dass wir vielleicht eines Tages mit dem Startchancen-Programm die Hälfte aller Schulen erreichen. Aber die Wahrheit ist auch, dass in einigen Bundesländern die bisherigen Anstrengungen durch das Startchancen-Programm vervielfacht werden, weil nämlich einige sich noch gar nicht auf den Weg gemacht haben. Deshalb ist das ein Beleg dafür: Wir finden uns nicht damit ab, dass die Postleitzahl so massiv auf den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen Einfluss nimmt. Das Startchancen-Programm ist der erste Schritt, den wir dabei gehen wollen. Zweitens. Wir müssen früh beginnen. Es ist wichtig, dass wir jetzt die 20 Prozent Kinder in den Blick nehmen, die derzeit gar nicht oder nur kurz die Kita besuchen, weil die Kita der Ort ist, an dem wir frühzeitig auch auf Chancengleichheit hinwirken können. Wir werden vielleicht auch noch mal den Bildungsauftrag gesetzlich fixieren müssen. In den Kitas müssen wir die Frühförderung und die Sprachförderung im Blick behalten, und dann müssen wir mit dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule weitermachen, den wir vereinbarungsgemäß umsetzen wollen, weil Kinder dort mehr Zeit für Bildung und Betreuung haben, und im Übrigen auch, weil es für die Eltern notwendig und wichtig ist. Früh zu beginnen, das ist der Schlüssel dafür, Chancengleichheit zu erreichen. Das müssen wir viel stärker machen, als wir es in der Vergangenheit gemacht haben. Frühe Bildung ist der Schlüssel. Drittens. Ich glaube, wir haben Hinweise in der PISA-Studie, wie wir die Potenziale von Digitalisierung besser nutzen können. Die Ausstattung haben wir mit dem Digitalpakt deutlich verbessert; aber die Nutzung von digitalen Medien in der Unterrichtsgestaltung ist deutlich unterdurchschnittlich im Vergleich zu den anderen Industrienationen. Und deswegen ist es wichtig, dass wir den Digitalpakt daran teilweise auch neu ausrichten. Wir wollen ihn fortsetzen und zum Digitalpakt 2.0 machen. Das ist aber nicht die Lösung für alles. Auch die Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Lernen, die wir in dieser Wahlperiode gemeinsam auf den Weg gebracht haben, fördern digitalen Unterricht. Und die Open Educational Resources, also das gemeinsame Teilen von digitalen Lerninhalten – das ist in der Konstellation der alten Regierung leider ein bisschen unter die Räder gekommen –, haben wir jetzt neu aufgesetzt und deutlich gemacht: Wir wollen die Potenziale von Digitalisierung neu nutzen; das ist der richtige Weg. Viertens. Das ist eine herzliche Bitte. Wir haben überhaupt keine Zeit zu verschenken. Die PISA-Studie untersucht die Kompetenzen von 15-Jährigen. Von denen hat ein Drittel große Probleme in Mathematik. Das ist das Ergebnis der PISA-Studie. Die sind in einem Jahr, in zwei, drei oder vier Jahren auf dem Ausbildungsmarkt. Deswegen müssen wir denen helfen. Da können wir nicht noch große Symboldebatten führen, sondern wir müssen dafür sorgen, dass sie ihr Abschlussziel erreichen, und zum anderen müssen wir dafür sorgen, dass sie den Übergang in den Beruf besser organisiert bekommen. Die Ausbildungsgarantie ist dafür ein wesentlicher Schlüssel. Sie ist unsere Antwort auf diese Frage, wie Jugendliche mit Vermittlungshemmnissen besser in Ausbildung kommen können. Aber wir müssen auch die Berufsorientierung verstärken; denn wir können auf keines dieser Kinder, auf keinen dieser Jugendlichen verzichten. Wir brauchen sie als Fachkräfte von morgen. Vielen Dank.