Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Dienstag hat der Bundeskanzler in der Regierungserklärung deutlich gemacht, wie sehr wir aktuell um Haushaltsspielräume ringen müssen. Massive Investitionen sind nötig – in Bildung, Digitalisierung und Klimaschutz, zur Sicherung von Arbeitsplätzen, für eine resiliente und wettbewerbsfähige Wirtschaft. Genau deswegen halte ich es auch für richtig, dass wir gerade jetzt über Steuergerechtigkeit sprechen, auch über die Einnahmesituation des Bundes und der Länder diskutieren. Da sind wir schon direkt bei der Erbschaftsteuer, die ja angelegt ist, um zu verhindern, dass Reichtum, der zumeist von vielen Menschen erarbeitet wurde, sich über Generationen hinweg in den Händen einiger weniger konzentriert. Aber genau diesen Zweck erfüllt die Erbschaftsteuer in ihrer aktuellen Ausgestaltung nicht. Die zahlreichen Ausnahmen und Schlupflöcher bei großen Erbschaften und Schenkungen führen dazu, dass der durchschnittliche Steuersatz bei Erbschaften und Schenkungen über 20 Millionen Euro um ein Vielfaches niedriger ist als für kleine Erbschaften. Es gilt: Wer viel erbt, zahlt wenig Steuer; wer wenig erbt, zahlt viel Steuer. Das trägt zur konstant hohen Vermögensungleichheit in unserem Land bei. Jeder muss doch erkennen – auch Sie, Freiherr von Stetten –, dass das nicht fair sein kann, liebe Kolleginnen und Kollegen. – Nein, das ist nicht falsch. Da müssen Sie sich intensiver mit den Zahlen auseinandersetzen. Umso erstaunlicher finde ich, dass Sie von der Union dann immer wieder so eine Enteignungs-Fata-Morgana aufmachen, indem Sie sagen, wir wollten den Menschen ihr hart erarbeitetes Vermögen wegnehmen. Dem will ich zuallererst einmal entschieden widersprechen. Uns Grünen geht es gerade nicht um die große Mehrheit der kleinen Erbschaften. Uns geht es um riesige Vermögen, die leistungslos weitervererbt werden und dann mit – im Vergleich zu kleinen Vermögen – geringeren Steuersätzen belegt werden. Ja, für uns ist das eine Gerechtigkeitsproblematik. Das ist schlicht und ergreifend ungerecht, und genau deswegen wollen wir die Erbschaftsteuer reformieren und gerechter machen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dieselbe Sau hat ja auch Markus Söder im Landtagswahlkampf in Bayern durchs Dorf getrieben. Da wurden bewusst Ängste geschürt; immer wieder wurde davon gesprochen, dass die Ampel an Omas Häuschen ranwill. Wenn man bedenkt, dass hier Freibeträge von bis zu 500 000 Euro oder Steuerfreiheit bei selbstgenutztem Wohneigentum gelten, dann versteht man schon, dass sich Normalverdiener fragen, wovon der Söder bei diesen Beträgen eigentlich redet; denn diese Summen sind für viele Menschen schlicht und ergreifend gar nicht erreichbar. Aber die Wahrheit ist, dass es Markus Söder gar nicht um Omas Häuschen geht, es sei denn, die Omas heißen Johanna Quandt oder Friede Springer, und ihre Häuschen sind das BMW- oder Springer-Erbe. Darum geht es nämlich wirklich: Markus Söder als Schutzpatron der Superreichen. Diese Argumentation übernehmen Sie von der Union. Sie stützen damit die gegebene Ungleichverteilung und legen die Axt an den gesellschaftlichen Zusammenhalt. In dieser Klarheit muss man das sagen. – Das kann ich Ihnen nicht ersparen, Herr Brehm, auch wenn Sie den Kopf schütteln. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Grüne sagen: Große Vermögen müssen einen fairen Anteil am Gemeinwesen leisten. Wir stehen vor riesigen Aufgaben. Massive Investitionen sind notwendig für die Modernisierung unseres Landes. Deswegen sollten wir gesellschaftlich-solidarisch agieren, und das bedeutet nun mal auch, dass finanzstarke Schultern größere Lasten tragen müssen. Ich möchte einmal die Gerechtigkeitsperspektive ein bisschen beiseiteschieben und noch eine ökonomische Perspektive hier reinbringen. Arbeit wird in Deutschland deutlich stärker besteuert als Vermögen; das wissen Sie. Das Steuersystem soll aber Anreize für Arbeit und Produktivität schaffen. Erbschaften sind unproduktiv, Arbeiten ist produktiv. Sie sagen ja immer: „Arbeit muss sich lohnen!“; das sehe ich genauso. Richtig wäre also, vermögensbezogene Steuern auszuweiten und gleichzeitig die Menschen bei der Einkommensteuer zu entlasten. Das wäre ein besserer Weg. Wir haben Möglichkeiten, um das umzusetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen; meine Kollegin Katharina Beck hat es eben bereits erläutert. Die Verschonungsbedarfsprüfung abzuschaffen und dies mit einer Erweiterung von Stundungsmöglichkeiten zu verbinden, wären hier die richtigen Maßnahmen. Die Steuerschlupflöcher für Millionenerben sollten endlich geschlossen werden. Das sorgt für mehr Gerechtigkeit. Das entlastet die Länderhaushalte. Und es würde unser Gemeinwesen stärken. Genau deswegen werben wir auch dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen. Zum Antrag der Linken hat Katharina Beck ebenfalls schon ausgeführt. Zum Antrag der AfD-Fraktion muss ich nicht so wahnsinnig viel sagen. Ihr erneuter Antrag auf Streichung der Erbschaftsteuer zeigt deutlich, wie wenig ernsthaft Sie an der Lösung von sozialer Ungerechtigkeit, von Ungleichverteilung interessiert sind. In Zeiten knapper Kassen, knapper Haushaltsspielräume wollen Sie ausgerechnet Superreiche subventionieren und entlasten. Für Menschen mit kleinen Einkommen, für Menschen, die gar nicht in der Lage sind, große Vermögen aufzubauen, haben Sie überhaupt nichts übrig. Sie stellen erneut zur Schau, dass Sie die Partei der sozialen Kälte sind, vor allem aber die Partei der sozialen Spaltung. Die soziale Spaltung, das ist die Geschäftsgrundlage, auf der Sie Politik machen. Ich kann Ihnen sagen: Eine solche Politik lehnen wir grundsätzlich ab. Einer solchen unsozialen Politik werden wir uns als demokratische Fraktion in diesem Haus konsequent entgegenstellen. Herzlichen Dank.