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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Klöckner, Sie warten ja normalerweise immer auf „die 16 Jahre“; die lasse ich jetzt mal weg. Reden wir von über 20 Jahren, von 1995! Die 90er-Jahre waren ja gestern Thema. Das war auch ein gutes Jahrzehnt; ich bin 1991er Baujahr.
– Ja, eijeijei! – Seit 1995 gibt es ein Assoziierungsabkommen. Und wenn wir jetzt mal alle hier, auch Sie oben auf den Tribünen, einmal darüber nachdenken, was bei uns persönlich seit 1995 passiert ist – einige waren da vielleicht noch gar nicht auf dieser Welt –, wird klar: Das ist ein sehr langer Zeitraum. Wenn wir uns in Deutschland umschauen, in Europa, aber auch auf der Welt und überlegen, was in den letzten 25 Jahren alles passiert ist, dann muss man sagen: Da ist eine ganze Menge passiert.
Warum sage ich das? Weil ich seit zwei Jahren im Deutschen Bundestag bin und versucht habe, zu verstehen, was seit 1995 alles passiert ist. Irgendwann war klar, dass ich in einen bestimmten Ausschuss komme, in dem das Mercosur-Handelsabkommen ein Thema ist. Also habe ich mal angefangen, zu recherchieren: Wie war eigentlich der Prozess? Wer war daran beteiligt? Gab es Arbeitsgruppen? Gab es irgendwann einen Entwurf? Gab es Änderungsanträge? Wie ist das Ganze zustande gekommen? Wie waren die Phasen innerhalb dieses Abkommens?
Es gab Zeitpunkte, da sah es so aus, als sei man ganz kurz vor der Unterschrift. Dann gab es aber auch den Zeitpunkt, wo man gedacht hat: Jetzt ist Game over. Kurz vor Game over war unter anderem 2019 – ich habe es eben gehört –, als Jair Bolsonaro Präsident von Brasilien wurde. Da war eigentlich klar: Mit ihm als Präsidenten wird dieses Handelsabkommen entweder gestoppt oder tatsächlich gekillt. Ich bin sehr dankbar, dass dann letztes Jahr Präsident Lula gewählt wurde.
Wie wär’s, wenn wir Handelsabkommen unabhängig von Präsidenten schließen würden? Wenn der weg ist, dann kündigen wir wieder, oder was?)
Ich war auch dort. Präsident Lula hat in seiner ersten Rede auch über Mercosur und über dieses Handelsabkommen gesprochen. Innerhalb eines Tages und wegen weniger Hunderttausend Stimmen – 2 Millionen Stimmen, glaube ich, waren es am Ende des Tages – hat sich entschieden, ob das wieder ein Thema oder ob es kein Thema ist.
Ich sehe den Herrn Kollegen Silberhorn; wir waren ja drüben in Brasilien. Die Stimmung in Brasilien, aber auch in den anderen Mercosur-Staaten ist sehr progressiv: Dieses Abkommen soll kommen. – Wenn ich so höre, innerhalb der Regierung wisse man nicht, ob man es aus deutscher Sicht wolle oder nicht: Nächste Woche ist Präsident Lula hier in Deutschland. Wir haben die deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen. Es kommen zwölf Minister; Herr Lula ist da.
Es sind fast 500 Brasilianer im Rahmen dieser Delegation da. Und ja, wir brauchen ein Zeichen. Ich habe sehr viele Zeichen in diesem Parlament wahrgenommen. Das Zeichen ist – auch an die Regierung –: Ja, wir wollen Mercosur. Ja, wir wollen es zum Abschluss bringen.
Die Grünen haben ja noch gar nicht gesprochen!)
Dafür bin ich meinen Vorrednerinnen und Vorrednern auch dankbar.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Es gibt berechtigte Kritik an diesem Abkommen. Aber dieses Abkommen ist kein Ufo; das schwebt ja nicht irgendwo im rechtsfreien Raum. Seit 20 Jahren hat sich die Gesetzgebung in Europa, aber auch in den Mercosur-Staaten verändert. Natürlich verändert sich etwas, wenn wir Lieferkettengesetze machen, wenn wir entwaldungsfreie Lieferketten verlangen, wenn wir über Rohstoffentscheidungen innerhalb der Europäischen Union sprechen. Ja, da verändert sich was. Dieses sogenannte Abkommen schwebt nicht im rechtsfreien Raum; es ist kein Ufo – „Ufo“, glaube ich, trifft ganz gut –, weil wir eine entsprechende Gesetzgebung haben, und daran muss man ein Handelsabkommen natürlich auch anpassen. Lieferkette schlägt Handelsabkommen. Das ist eine ganz grundsätzliche Regelung, die, glaube ich, sehr gut ist.
Was? „Lieferkette schlägt Handelsabkommen“?
Habe ich auch noch nicht gehört!
Das Schlagwort „China“ habe ich eben gehört. China ist nicht im Gespräch, Frau Klöckner; China ist schon voll da in Lateinamerika, genauso wie in Afrika.
Zuruf der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])
Die Situation ist so, dass dort sehr viele Investitionen getätigt werden. Alle Staaten in Lateinamerika wissen, dass China wichtig ist. Es nimmt entweder Platz eins, zwei oder drei in der Handelsbilanz ein, sowohl beim Export als auch beim Import. Das wird auch so bleiben. Aber auch die wollen sich diversifizieren, so wie wir es auch wollen. Von daher: Die Zeichen stehen gut.
Ich sage noch eins: Es ist wichtig, dass wir darüber sprechen – deswegen danke, CDU/CSU, dass ihr uns die Gelegenheit dazu gebt –; denn es gibt Botschaften hier in Berlin, da knallen die Sektkorken – wenn sie keinen Sekt trinken, trinken sie was anderes –, wenn dieses Handelsabkommen scheitert.
Es gibt Botschaften, die nur darauf warten, dass oben auf dem Handy im Ticker steht: „Mercosur beendet“. Am besten noch durch die Europäische Union. Warum freuen die sich? Weil dies das Zeichen wäre: Europa kann es nicht.
Zuruf der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])
Europa ist nicht mehr in der Lage, weltweit Handel zu betreiben.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Und wer sagt’s den Grünen?)
Das wäre ein katastrophales Zeichen. Von daher ist es wichtig, dass wir das Abkommen zum Abschluss bringen.
– Mit den Grünen reden wir ja immer sehr viel; da haben wir auch sehr gute Gespräche.
Zuruf des Abg. Peter Beyer [CDU/CSU])
Ich beschäftige mich hier im Deutschen Bundestag nicht mit Parteitagsbeschlüssen der Grünen; ich beschäftige mich wenn mit Parteitagsbeschlüssen meiner eigenen Partei. Das macht jede Fraktion so, und das ist auch in Ordnung.
Also, die Sektkorken sollen drinbleiben. Wir wollen zeigen, dass Europa handeln kann. Wir wollen in der Zukunft Handelsabkommen machen.
Zuruf der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])
Die werden anders aussehen. 20 Jahre ist ein sehr, sehr langer Zeitraum. Ich persönlich werde mich dafür einsetzen. Ich freue mich, dass die Brasilianerinnen und Brasilianer nächste Woche kommen; Herr Lula wird auch da sein. Herr Lula will dieses Abkommen. In Argentinien haben wir eine Situation, die sehr spannend zu werden verspricht; aber auch da führen wir Gespräche. Lasst uns dieses Handelsabkommen abschließen! Das ist das richtige Zeichen für: Europa kann es noch. – Das ist das Zeichen, das wir aussenden wollen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Dr. Sandra Detzer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das Wort hat Andreas Audretsch für Bündnis 90/Die Grünen.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])