Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Deutschland und die Europäische Union befinden sich in einer schwierigen geopolitischen Weltlage: der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine – er ist immer noch so akut und aktuell wie vor zwei Jahren –, der neue Krieg im Nahen Osten, der grausame Angriff gegen Israel. Dazu kommen Xi Jinpings China und seine neue Ausrichtung der chinesischen Politik. Aber damit nicht genug: Wir sehen Angriffe auf die liberalen Demokratien von innen und von außen, die nur zum Ziel haben, unseren Wohlstand und unsere Demokratien zu zerstören. Deswegen geht es um unsere Sicherheit, es geht um unsere Verteidigung, aber es geht eben auch um unsere Wirtschaftssicherheit. Um unsere Souveränität in diesen schwierigen Zeiten zu stärken, wollen wir neue Partnerschaften vorantreiben und existierende stärken. Dafür sind die Mercosur-Länder eindeutig sehr wichtig. Es sind uns sehr nahe stehende Länder – kulturell, wirtschaftlich und historisch gesehen. Es sind wirklich sehr, sehr wichtige Partner für uns. Hierzu laufen aktuell die Verhandlungen; das hat mein Kollegen Markus Töns korrekterweise gesagt. Die Verhandlungen laufen in all ihrer Komplexität. Auf der Mercosur-Seite gibt es bald eine neue argentinische Regierung, einen Wechsel an der Spitze in Argentinien. Auf der europäischen Seite sind wir 27 Mitgliedstaaten. Deutschland ist da nicht alleine, und Sie wissen, dass manche Parlamentsbeschlüsse durchaus kritisch waren. Aber zu dieser geopolitisch schwierigen Lage hinzu kommt die Klimakrise. Jetzt gerade fängt in Abu Dhabi die COP an. Natürlich sind mit Blick auf das Klima die Amazonasregenwälder sehr relevant. 10 Prozent aller auf der Welt lebenden Arten sind in diesen Regenwäldern beheimatet. Sie binden 12 Prozent des Süßwassers weltweit und speichern so viel CO2 wie kein weiteres Ökosystem weltweit. Deswegen haben die Klimawissenschaftler den Amazonas als Kipppunkt identifiziert. Wenn geschätzt 20 bis 25 Prozent der Walddecke des Amazonas verloren gehen, dann sind die Konsequenzen massiv: riesige Wüsten, eine weltweite Zunahme von Dürren und Überschwemmungen. Deswegen hat der Waldschutz für alle Beteiligten große Relevanz, und wir wollen nicht durch unseren Handel einen Beitrag dazu leisten, dass der Regenwald zerstört wird. Wir wissen, dass unsere Landwirte selber klimaschonend produzieren wollen und sollen und wir deswegen auch auf einen fairen Wettbewerb zu achten haben. Diesen Punkt hat übrigens auch die damalige Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner gesehen. Sie hat auf dem Bauerntag in Leipzig im Juni 2019 Folgendes gesagt – ich zitiere mit der Erlaubnis der Präsidentin –: Und im August 2019 sagte sie der Zeitung „Die Welt“, dass Brasilien sich mit dem Abkommen zu einer nachhaltigen Waldwirtschaft bekannt hat, und – ich zitiere auch hier wieder –: „Wenn das Land dieser Verpflichtung nicht nachkommt, werden wir nicht tatenlos zuschauen.“ Und weiter geht das Zitat: – Verpflichtungen – Aber nicht nur Julia Klöckner sprach in diese Richtung. Auch Angela Merkel sagte im August 2020, dass sie erhebliche Zweifel an dem Mercosur-Abkommen hat; sie sehe – ich zitiere – „mit großer Sorge“ auf Abholzung und Brandrodungen. Es stellten sich – ich zitiere – „ernsthafte Fragen, ob eine Umsetzung des Abkommens in dem intendierten Geist zurzeit gewährleistet wäre“. Daher brauche es einen intensiven Dialog, um konstruktive Lösungen für den Waldschutz zu finden. Genau daran arbeitet diese Bundesregierung. Wir arbeiten an konstruktiven Lösungen, um langfristig den Bedenken von Frau Klöckner, den Bedenken von Frau Merkel, den Bedenken von vielen Unternehmen und vielen Landwirten in diesem Land auch über die Legislaturperioden hinaus zu entsprechen, und zwar egal, ob das die Legislaturperioden in Deutschland, Frankreich oder Brasilien sind. Das Gute daran ist, dass der neue Präsident Lula seinen Regenwald schützen will, nicht wegen uns, sondern weil es seine Heimat ist. Er hat – und das sind beeindruckende Zahlen, die jetzt gerade veröffentlicht wurden – den Einschlag im Amazonasregenwald im letzten Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 59 Prozent gesenkt. Das ist beeindruckend, und deswegen ist er einer der wichtigsten Partner, den wir hier an unserer Seite wissen. Daraus ergeben sich enorme Chancen für uns. Erstens wollen und können wir mit Mercosur gemeinsam grüne und resiliente Lieferketten und Wertschöpfungsketten aufbauen, mit mehr Wertschöpfung auch in den Ländern und Partnerländern wie Brasilien. Da geht es übrigens auch um den grünen Wasserstoff, den Brasilien gerne exportieren würde. Das ist eines der zentralen Exportprodukte, die Brasilien gerne voranbringen möchte. Oder das Beispiel Rohstoffe: Das Lithium aus Argentinien geht heute über China, wo es weiterverarbeitet wird, und dann zu uns. Hier ist der Ansatz, mehr vor Ort zu machen, mehr Wertschöpfung vor Ort zu schaffen, das Ganze grün mit nachhaltigem Strom zu ermöglichen, mit neuen Energien, und dadurch unsere Lieferketten an sich grün aufzustellen. Zweitens gibt es die Chance, für unsere Unternehmen die Exportmärkte zu stärken, für sie neue Möglichkeiten zu eröffnen. Drittens geht es darum, gemeinsam Innovationen voranzubringen. Wir haben zum Beispiel jetzt in Argentinien den German Accelerator aufgebaut, um die Start-up-Szenen unserer Länder und Regionen zusammenzubringen, um das Beste aus den jeweiligen neuen Köpfen und Ideen herauszubringen. Viertens geht es uns darum, die Chance zu nutzen, zu zeigen, dass Handel und Klima zusammengehen und sich gegenseitig stärken. Dafür wollen wir auch Anreize geben, damit sich Regenwaldschutz wirtschaftlich lohnt und gute Jobs ermöglicht. Aber gerade laufen konstruktive Verhandlungen, und sobald diese beendet sind, werden wir das Ergebnis bewerten. Wenn es vorliegt, werden wir es uns genau anschauen. Es wäre jetzt auch seltsam, wenn wir vorab schon hopp oder top sagen würden, während die Verhandlungen noch laufen. – Der Parteitag hat gesagt, was unsere Ambitionen sind. Wir werden uns das Ergebnis, wenn es vorliegt, anschauen. Bis dahin kann ich Ihnen zusichern, dass wir als Regierung, als Regierungsfraktionen alles für ein nachhaltiges Mercosur-Abkommen geben werden, damit wir die gemeinsame Zukunft zwischen unseren zwei Kontinenten voranbringen können, die größte Freihandelszone der Welt schaffen können, und dies aufbauend auf den gemeinsamen Interessen von Demokratie, Nachhaltigkeit und Freiheit. Daran arbeiten wir, und ich zähle dabei auch auf die Unterstützung der Opposition. Danke schön.