Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Hochverehrter Kollege Merz, ich war ob Teilen Ihrer Rede etwas überrascht. Sie haben den Bundeswirtschaftsminister vom, ich glaube, Grünenparteitag zitiert mit dem Hinweis, die Union sei in den 90er-Jahren stecken geblieben. Ich teile die Auffassung des Wirtschaftsministers. Aber darauf will ich gar nicht hinaus. Sie haben sich daraufhin diebisch gefreut, dass die Wirtschaftsminister der 90er-Jahre ganz großartig gewesen seien. Ich will Sie einfach nur darauf hinweisen – ein Nachschauen in Wikipedia hätte gereicht, um dies festzustellen –, dass nicht ein einziger Wirtschaftsminister der 90er-Jahre von der CDU/CSU gestellt worden ist, sondern ausschließlich von FDP und SPD, liebe Kolleginnen und Kollegen. Also, das Lob nehmen wir an. Aber man kann sich weiterentwickeln, hochverehrter Herr Merz, und eins ist richtig – der Bundeskanzler hat es gerade gesagt –: Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil Klarheit über die Ausnahmen von der Schuldenbremse und über Sondervermögen geschaffen. Es hat im Kern die Schuldenbremse im Grundgesetz gestärkt. Ich will deutlich sagen: Das Urteil hat – anders als Ihre Rede den Eindruck erweckt hat – nicht eine Praxis dieser Regierung beendet, sondern eine Praxis auf Bundes- und Landesebene, die von allen politischen Akteuren verantwortet wurde, unabhängig von der Parteifarbe. Ich will sehr selbstkritisch sagen: Ein Teil der Praxis, über die das Bundesverfassungsgericht geurteilt hat, hat auch diese Bundesregierung fortgesetzt, und das war im Nachhinein ein Fehler. Aber dass das nicht ausschließlich diese Bundesregierung betrifft, zeigt doch die Tatsache, dass der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther direkt auf dieses Urteil reagiert hat und für das kommende Jahr und das vergangene Jahr eine Notlage für den Landeshaushalt in Schleswig-Holstein ausgerufen hat, weil die Jährlichkeit nicht gegeben war. Ich will Sie an Ihre eigene Regierungsverantwortung und die Haushaltsberatungen – ich durfte damals Teil des Haushaltsausschusses sein –, Herr Merz, erinnern. Das Bundesverfassungsgericht hat richtigerweise auch gesagt: Es muss ein Sachzusammenhang bestehen zwischen einer Notlagesituation und den Entscheidungen des Haushaltsgesetzgebers. Ich erinnere mich noch sehr gut an das Konjunkturpaket Ihrer Regierungszeit. Bei allem Respekt, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union: Im Nachhinein muss man doch kritisch fragen, ob der Stallumbau oder die nachhaltige Waldbewirtschaftung wirklich etwas mit der Coronapandemie zu tun hatten. Im Nachhinein muss man sagen: Auch das war nicht rechtskonform. – Diese Praxis aus Ihrer Regierungszeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat diese Bundesregierung jedenfalls nie übernommen. Ja, wir hätten die Frage der Jährlichkeit, gerade bei Sondervermögen, früher klären müssen. Das sagen wir sehr selbstkritisch. Für das laufende Haushaltsjahr sind Änderungen notwendig geworden; der Bundeskanzler hat das ausgeführt. Es sind rechtliche Änderungen, und wichtig an dieser Stelle ist, dass wir am Freitag einen Nachtragshaushalt einbringen werden, um nachträglich die Strom- und Gaspreisbremsen abzusichern, die richtig und notwendig sind. Aber wichtig für das Haushaltsjahr 2023 ist auch, dass wir keine zusätzlichen Schulden machen werden. Im Gegenteil: Es wird uns mit dem Nachtragshaushalt 2023 gelingen, die Nettokreditaufnahme des Bundes um über 40 Prozent zu senken, meine Damen und Herren. Das ist gute Haushaltspolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen. An dieser Stelle will ich etwas zur Schuldenbremse sagen. Ja, dieses Urteil hat Rechtsklarheit geschaffen. Daraus haben wir Konsequenzen für den Bundeshaushalt 2023 gezogen, und wir werden diese auch für den Bundeshaushalt 2024 ziehen. Ich will unumwunden einräumen: Mir ist bewusst, dass die Schuldenbremse im politischen Raum unter Druck geraten ist; Katharina Dröge hat das vorhin ausgeführt und hat dazu einige Ministerpräsidenten zitiert. Bei den Menschen in Deutschland ist sie nach wie vor richtigerweise beliebt. Man kann bei der Schuldenbremse politisch unterschiedlicher Meinung sein, und, ja, es gibt auch innerhalb der Koalition unterschiedliche Auffassungen dazu. Aber, Herr Merz, sich hierhinzustellen und ernsthaft zu behaupten, die Unionsfamilie sei an dieser Stelle geschlossen, ist ja wohl ein Witz. Schauen Sie nur auf die Länderbank in diesem Haus. Und ich will erinnern an Hendrik Wüst, an Daniel Günther, an Kai Wegner, an Reiner Haseloff, an Michael Kretschmer – alle diese Unionsministerpräsidenten haben bereits öffentlich erklärt, dass sie bereit sind, die Schuldenbremse zu schleifen. Der Einzige aus der Union, meine Damen und Herren, der in dieser Woche die Schuldenbremse noch nicht infrage gestellt hat, ist Markus Söder. Aber es ist ja auch erst Dienstag, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich erwarte deshalb, dass der Weckruf aus Karlsruhe – das Bundeskabinett hat sofort dementsprechend entschieden – auch in den Bundesländern ankommt und dass man es dort eins zu eins umsetzt. Ich will an der Stelle noch Folgendes in aller Klarheit sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Herr Merz, Sie erwecken immer wieder in Ihren Reden, ohne präzise zu werden, den Eindruck, dass man hier mit einem anderen Finanzgebaren unterwegs sei. Das stimmt, und zwar zum Beispiel in Bezug auf Sondervermögen. Wissen Sie, wie viele Sondervermögen in Ihrer 16-jährigen Regierungszeit gebildet worden sind? Es waren 15! Diese Bundesregierung schafft fünf Sondervermögen ab. Wir schaffen Haushaltsklarheit und -wahrheit im Gegensatz zu Ihnen, lieber Kollege Merz. Ich will zum Schluss eines sagen: Ja, wir brauchen Zukunftsinvestitionen. Sie sind notwendig, um unsere Wirtschaft zukunftsfest zu machen. Wir stehen zu den öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur, den Bundesautobahnbau, den Katharina Dröge angesprochen hat, den Schienenausbau usw. usf. Das alles sind Investitionen der öffentlichen Hand, die unter Ihnen vernachlässigt worden sind. Aber gleichzeitig braucht es einen Impuls für private Investitionen in Deutschland, meine Damen und Herren, um genau diese Zukunftsausgaben zu stemmen. Deswegen appelliere ich auch an dieser Stelle an die staatspolitische Verantwortung der CDU/CSU. Ich kann nicht nachvollziehen, wieso Sie aus taktischen Gründen im Bundesrat das Wachstumschancengesetz, das unser Land so dringend braucht, aufhalten. Geben Sie endlich Ihre Zustimmung, damit diese Investitionen der Privatwirtschaft möglich werden. Ich danke Ihnen.