Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Entscheidungen in dieser Plenarwoche werden die politische Landschaft länger beeinflussen. Die erste ist das historische Paukenschlagurteil des Bundesverfassungsgerichts. Es ist für niemanden mehr zu übersehen: Die Ampel ist klamm und der Haushalt so eng, dass es quietscht. Deswegen ist es gut, dass wir Alterssicherungspolitik in Deutschland nicht nach Kassenlage machen. Wir haben ein Sozialsystem, bei dem die gesetzliche Rentenversicherung eine von Arbeitnehmern und Arbeitgebern selbstverwaltete, wirkliche Versicherung ist. Die Rente ist kein Almosen, sie ist eine Versicherungsleistung. Gegenwärtige Beitragszahlungen generieren spätere Rentenleistungen. Allerdings nehme ich wahr, dass neuerdings häufiger die Begriffe „Umlage“ und „Umverteilung“ verwechselt werden. Damit das klar ist: Dass Stärkere zu Recht mehr zum Gemeinwohl beitragen, bleibt eine Frage der Gerechtigkeit. Das haben wir in Deutschland über die progressive Einkommensteuer organisiert. In der beitragsfinanzierten Rente gilt aber das Äquivalenzprinzip. Hier halte ich es mit der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm: Wer das Äquivalenzprinzip infrage stellt, schmälert Erwerbsanreize und erhöht Anreize, sich aus dem System zurückzuziehen. Meine Damen und Herren, mir ist ein System „vertrauenserzeugendes Äquivalenzprinzip“ lieber als eine Rentenpolitik ohne Prinzipien nach Kassenlage. Die zweite Entscheidung dieser Woche, die unsere politische Landschaft längerfristig beeinflusst, ist der Beschluss der Auflösung der Linksfraktion zum 6. Dezember. Diese Entscheidung zeigt die aktuelle Dynamik im populistischen Links-rechts-Spektrum unserer politischen Landschaft. Das Gespenst der vereinfachenden, polarisierenden Emotionalisierung geht um. Ich empfehle Ihnen, die aktuelle empirische Studie des Soziologen Steffen Mau. Sein Team hat gefragt, worüber sich die Menschen empören und was genau die Triggerpunkte sind, die unsere gesellschaftlichen Konflikte anheizen. Eine zentrale Aussage lautet: Nehmen andere etwas in Anspruch, was sie nicht verdient haben, was ihnen nicht zusteht, erzeugt das große Missgunst. Was dem Leistungsprinzip widerspricht, wird in Deutschland mehrheitlich als unangemessen angesehen. Mau schreibt – Zitat –: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten Politik nicht gegen das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung machen. Das stärkt eher die politischen Ränder, als dass es den Menschen tatsächlich hilft. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.