Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man könnte meinen, dass das Eis, auf dem unsere Werte ruhen, sehr dünn ist. Kommt es zu einem ernsthaften Konflikt wie jetzt nach dem barbarischen Terrorangriff der Hamas auf Israel, werden schnell grundlegende Menschenrechte infrage gestellt. Dass die CDU/CSU mit zwei Gesetzentwürfen zur Verschärfung der Strafmaßnahmen um die Ecke kommt, war erwartbar. Dass aber auch eine Liberale wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mit der Forderung nach einem Demonstrationsverbot für Ausländer Grundrechte infrage gestellt hat, hat dann doch überrascht. Gut, sie hat ihren Fehler bemerkt, und sie ist zurückgerudert. Das Demonstrationsrecht, meine Damen und Herren, gilt für alle Menschen in diesem Land. Und es war schon immer verboten, das Sterben von Menschen zu verherrlichen. Das Gleiche gilt für den Gesetzentwurf der CDU/CSU. Auf Grundlage der bestehenden Gesetze können die zuständigen Behörden schon jetzt einschreiten, wenn die Sicherheit von Jüdinnen in Gefahr ist, und zwar gegen jeden in diesem Land, meine Damen und Herren. Dazu braucht es keine neuen Gesetze, mit denen man angeblich nur gegen Ausländer/-innen vorgehen will. Man muss die Gesetze aber auch anwenden wollen, meine Damen und Herren. Nein, der brüllt eh die ganze Zeit dazwischen und sollte das lieber unterlassen. Das Existenzrecht Israels unzweifelhaft anzuerkennen, ist bereits Teil der deutschen Staatsräson, meine Damen und Herren. Es gilt daher für alle heutigen und zukünftigen Bürger/-innen dieses Landes. Meine Damen und Herren, schwierig ist, dass wir die gleichen Probleme sehen, aber ganz andere, zum Teil gegenteilige Antworten darauf haben. Warum greift bei so vielen, sobald sie unter Druck geraten, die Sehnsucht danach, in kollektiven Subjekten zu denken – „wir“ und „die anderen“, –, unsere Probleme mit unserem Antisemitismus auf Ausländer zu projizieren und auf staatliche Allmachtsfantasien zu setzen? Auch und besonders im nahöstlichen Raum gibt es ein Problem mit Antisemitismus – unbestritten. Aber: Rund 84 Prozent der antisemitischen Straftaten in Deutschland sind bisher der politisch rechts motivierten Kriminalität zugeordnet worden, meine Damen und Herren. Das ist ein Fakt, mit dem wir uns beschäftigen müssen. Ich möchte unser Zusammenleben in Deutschland, in Berlin, in Kreuzberg, in Neukölln friedlich gestalten, meine Damen und Herren – mit gegenseitigem Respekt vor jedem einzelnen Individuum. Das heißt auch, dass wir es hier besser machen als in der Region, in der gerade der Krieg tobt. Ich will den Krieg nicht auf die öffentlichen Plätze, in die Schulen hineintragen. Wir kennen es aus der Erziehung unserer Kinder. Nicht was wir sagen, ist das Vorbild, sondern wie wir real leben, meine Damen und Herren. Um offensiv von allen die Respektierung der Menschenrechte einklagen zu können, müssen wir sie selbst vorleben. Dann hält auch das Eis, meine Damen und Herren.