Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Innerhalb von wenigen Wochen hat das Bundesverfassungsgericht gestern zum zweiten Mal den Regierungsfraktionen bescheinigt, dass sie das Grundgesetz verletzen. Zur Erinnerung: Kurz vor den Sommerferien mussten Sie die Abstimmung über das sogenannte Heizungsgesetz verschieben, weil Sie den Abgeordneten des Deutschen Bundestages in verfassungswidriger Weise Mitspracherechte vorenthalten haben. – Weil Sie in verfassungswidriger Weise Mitspracherechte vorenthalten haben, Herr Kollege! Und dieser Zustand hält an. Ich komme darauf gleich noch zu sprechen. Gestern haben Sie bestätigt bekommen, dass Sie im letzten Jahr einen Nachtragshaushalt für das Jahr 2021 aufgestellt haben, der vom Verfassungsgericht nicht nur als verfassungswidrig, sondern auch als nichtig angesehen worden ist, und das heißt: von Anfang an, vom ersten Tag an, unwirksam. Meine Damen und Herren, beide Entscheidungen, so unterschiedlich die Streitgegenstände auch sind, haben eines gemeinsam: Sie offenbaren das Verständnis der Regierungsfraktionen, dass Sie sich im Grunde genommen mit Ihrer Mehrheit hier im Deutschen Bundestag über alle Regeln, auch über die Regeln eingeübter parlamentarischer Praxis und jetzt auch über die Regeln der Schuldenbremse des Grundgesetzes, einfach so hinwegsetzen können. Sie wischen alle Einwände, die gegen Ihre Politik vorgetragen werden, einfach zur Seite. Selbst nach diesen beiden Entscheidungen geht das bei Ihnen einfach so weiter. Beim Heizungsgesetz haben Sie uns gönnerhaft etwas mehr Zeit zum Lesen gegeben und anschließend alles ohne weitere Beratungen so beschlossen und entschieden, wie Sie es vorher vorgehabt haben. Und jetzt hier beim Bundeshaushalt 2024 setzen Sie seit gestern die Beratungen fort, so als ob es die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom gestrigen Tag überhaupt nicht gegeben hätte. Meine Damen und Herren, Sie wissen spätestens seit gestern, dass Sie im nächsten Jahr einen Nachtragshaushalt aufstellen müssen, weil Sie die eingegangenen Verpflichtungen aus dem KTF, dem Klima- und Transformationsfonds, jetzt wenigstens teilweise in einen regulären Haushalt überführen müssen. Sie wissen es. Wer aber schon vor der Verabschiedung eines regulären Haushaltes weiß, dass er einen Nachtragshaushalt beraten und verabschieden muss, der verstößt erneut gegen die Grundsätze der Haushaltswahrheit und der Haushaltsklarheit, gegen Grundsätze, die nun spätestens seit gestern so gut wie Verfassungsrang haben. Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler hat von dieser Stelle aus am 27. Februar 2022 eine eindrucksvolle Regierungserklärung abgegeben und eine Zeitenwende beschrieben. Die Zeitenwende hat bei Ihnen bisher darin bestanden, dass Sie zusätzliche Schulden machen und einen Teil davon sogar mit unserer Zustimmung in Form eines Sondervermögens in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufnehmen. Alles andere haben sie so weitergemacht wie vorher. Sie haben sogar öffentlich bei jeder Gelegenheit zugesagt, dass sich nichts ändern wird außer zusätzlichen Schulden. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampelfraktionen, die Zeitenwende ist spätestens seit gestern auch für Sie Realität. Sie kommen jetzt nicht mehr umhin, zu akzeptieren, dass Sie die Prioritäten Ihres Haushaltes – unseres Haushaltes, dem der Bundesrepublik Deutschland – neu ordnen müssen. Fangen Sie damit so früh wie möglich an, damit dies auch hier zu einem Erfolg werden kann! Lassen Sie mich abschließend eines sagen: Wir stehen in Deutschland vor schweren politischen Zeiten – außenpolitisch, innenpolitisch und gesellschaftspolitisch. Kehren Sie mit Ihren Verhaltensweisen zu verfassungskonformer Gesetzgebung zurück! Und kehren Sie auch zu den Mindestregeln eines vernünftigen parlamentarischen Miteinanders hier im Deutschen Bundestag zurück, damit unsere Institutionen nicht noch mehr Schaden nehmen und damit das Vertrauen in die Politik unseres Landes nicht noch mehr leidet, so wie Sie gegenwärtig hier in Deutschland arbeiten! Wir sind dazu bereit, das zu tun. Aber spätestens seit gestern ist klar, dass Sie wesentliche Merkmale Ihres Arbeitens, Ihrer Politik ändern müssen, wenn das ein gemeinsamer Erfolg für unser Land werden soll. Herzlichen Dank.