Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf diese Liebesgrüße aus Moskau will ich keine wertvolle Redezeit verschwenden – bleiben wir lieber bei der starken demokratischen Mitte dieses Parlaments. Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, für Ihren Antrag und die wiederholte Initiative. Fast auf den Tag genau zehn Jahre ist es her, dass in Kiew die Proteste begannen, die als Euromaidan in die Geschichte eingingen und die die Entscheidung für die Europäische Union, für Frieden, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, für Sicherheit und für eine Abkehr vom russischen Modell der Willkür und Korruption deutlich demonstrierten. Diese Entscheidung und diese Werte greift das russische Regime an – mit militärisch brutaler Gewalt, mit Kriegsverbrechen und unzähligen Opfern in der Ukraine, aber auch mit Desinformation, Destabilisierung, Spionage bis hin zu Morden in anderen demokratischen Staaten, auch bei uns in Deutschland. Der russische Krieg gegen die Ukraine stellt auch einen Angriff auf die gesamte europäische Friedensordnung dar. Darum: Die Ukraine so stark zu unterstützen, wie wir können, ist nicht nur ein Akt der Solidarität mit der angegriffenen Demokratie und mit den Menschen in der Ukraine, sondern unser ureigenstes rationales Interesse. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, Ihr Antrag findet bei uns inhaltlich in weiten Teilen breite Zustimmung, und darum wollen wir die wichtigen Anliegen im parlamentarischen Verfahren mit Ihnen erörtern, Forderungen weiterentwickeln, Lücken schließen, die da sind. Wir wollen nicht Putins Spiel der Spaltung spielen oder versuchen, hier parlamentarische Punktsiege zu erringen, sondern es geht darum, Geschlossenheit unter den demokratischen Fraktionen zu unterstreichen und uns weiter konstruktiv in der Sache und zum Wohle der Ukraine zu verständigen. Wir haben uns hier in der Vergangenheit gemeinsam auf die Lieferung schwerer Waffen verständigt, aus der Mitte des Hauses heraus, im Konsens. Das ist unsere Stärke. Bei diesem Beschluss – das ist klar – ist kein einzelnes Waffensystem betont, aber auch keines ausgeschlossen. Einzelne Waffensysteme ganz konkret freizugeben, wie es so viele Menschen von uns heute erhoffen, das können wir aber nach unserer Verfassungsordnung nicht; das ist Aufgabe der Bundesregierung, und da werden die Diskussionen geführt. Das gehört zur Ehrlichkeit dieser Debatte dazu. Wir haben allesamt große Hoffnungen in die Befreiungsoffensive gesetzt. Die Ukrainer haben Erfolge erzielt – kein Zweifel –, und wir alle hätten gehofft, dass größere Erfolge erzielt werden. Aber zur Ehrlichkeit der Betrachtung gehört natürlich selbstkritisch dazu: Es wären mehr Erfolge möglich gewesen mit schnellerer und engagierterer Unterstützung aus dem Westen. Im kommenden Winter sind weitere barbarische Grausamkeiten Russlands zu erwarten und danach ein Stellungskrieg. Niemand hier im friedlichen Berlin sollte sich über die ukrainischen Bedarfe auf dem Gefechtsfeld hinwegsetzen. Wir sollten alles zur Verfügung stellen, was erfolgreich Munitionsdepots, Kommandoposten und Versorgungslinien bekämpfen kann. Wir brauchen und führen Debatten über die mehrdimensionale Unterstützung der Ukraine, und das geht weit über dringend benötigte Marschflugkörper hinaus. Während wir hier debattieren, einigen sich unsere Kolleginnen und Kollegen in der Bereinigungssitzung über die weiteren umfangreichen Mittel zur Finanzierung der dringend benötigten militärischen Unterstützung für die Ukraine. Mehrdimensionale Unterstützung heißt auch Wiederaufbau, für den das Auswärtige Amt beispielsweise einen Sonderstab errichtet hat und für den sich nicht nur der Bund einsetzt, sondern auch die Länder, viele Städte und Gemeinden, private Initiativen und Unternehmen. Mit Blick auf die Entscheidung aus dem Euromaidan: Wir werden hier demnächst gemeinsam grünes Licht für die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen geben. Denn die Ukraine verteidigt nicht nur europäische Werte und Sicherheit; sie gehört auch in die Europäische Union. Das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das, was zählt. Putin schaut nicht auf parlamentarisches Schaulaufen oder den stärksten Twitter-Post. Er schaut auf die harten Fakten unserer Verteidigungspolitik, auf die wirtschaftliche Unterstützung für die Ukraine, auf die starke Diplomatie und den europäischen Beitritt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Putin hat sein Ziel der Unterwerfung der Ukraine nicht aufgegeben. Er will keine Verhandlungen, sondern die Vernichtung der Ukraine; er will die Demokratie in die Knie zwingen. Aber das wird ihm nicht gelingen, wenn wir stark zusammenstehen als Demokratinnen und Demokraten. Vielen Dank.