Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Demokratinnen und Demokraten! Liebe Union, Sie werden in sehr kurzer Zeit Gelegenheit haben, Ihren großen Worten Taten folgen zu lassen, indem Sie nämlich die Gesetzesvorhaben, die die Koalition jetzt gerade auf den Weg bringt, auch mittragen und mitunterstützen. – Dazu hätten Sie 16 Jahre Zeit gehabt. Sie haben die Initiative nicht übernommen. – Ja. Gott sei Dank sind deswegen auch noch soziale Projekte umgesetzt worden. – Das Gute ist von der SPD initiiert worden. Aber zum Thema. Für eine Frau in Deutschland ist laut Polizeistatistik der gefährlichste Ort ihr eigenes Zuhause. Jede Stunde wird in deutschen Haushalten eine Frau von ihrem Partner verprügelt oder Schlimmeres. Psychologen berichten aus der Täterarbeit, dass sich allerdings die Täter ungerecht behandelt fühlen. Diese deutschen Männer glauben nämlich, einen natürlichen Anspruch darauf zu haben, dass ihre Frau in jedem Moment ihre Bedürfnisse erfüllt. Ihr Selbstverständnis wird geprägt vom Rollenbild des naturgegeben überlegenen Mannes, der lediglich sein Recht durchsetzt, seine Privatsache. Und das zieht sich durch alle Bevölkerungs- und Einkommensschichten. Doch für viele dieser betroffenen Frauen sind die Blutergüsse und Knochenbrüche vielleicht gar nicht das Schlimmste, sondern die Angst, die Depressionen, die Ohnmacht und das Ausgeliefertsein, weil sie oft in Mehrfachabhängigkeiten stecken und deshalb bei diesen Männern gefangen sind. Ein wichtiger Faktor ist die wirtschaftliche Abhängigkeit; denn Kinder, Teilzeitmodelle, Minijobs und das Ehegattensplitting führen strukturell zu weniger Einkommen. Frauen können weniger Rücklagen aufbauen und fürchten Armut für sich und ihre Kinder, falls sie denn überhaupt eine Wohnung fänden, in die sie ausweichen können. Steuer- und arbeitsmarktpolitisch wie auch wohnungspolitisch hätten wir hier einige Hebel in der Hand. Wir gehen viele davon in den nächsten anderthalb Jahren an; da haben Sie Gelegenheit, mitzustimmen, liebe Union. Völkerrechtlich sind wir verpflichtet, die Istanbul-Konvention umzusetzen, was bedeutet, die Anzahl der Schutzplätze für Frauen in Deutschland zu verdreifachen. Wir haben gehört, dass sich das Ministerium dort im Gesetzgebungsprozess befindet, und wir haben da sehr viel Vertrauen. Aber es braucht parallel eine Struktur mit Beratungs- und Präventionsangeboten, die erreichbar und gesichert sind. Ich sehe jetzt förmlich, wie die gebeutelten Haushälter ihre Taschen zuhalten. Es fehlt jedoch gar nicht an Geld. Partnerschaftsgewalt kostet, volkswirtschaftlich gesehen, im Gesundheitswesen und im Justizhilfesystem sowie wegen Arbeitsausfall 2,8 Milliarden Euro jedes Jahr. Würden wir dieses Geld in die Prävention stecken, dann würde viel Leid erspart bleiben. Das Geld wäre präventiv nachhaltiger ausgegeben. Die wirksamste Prävention ist eine qualifizierte Öffentlichkeit, raus aus dem Tabu; denn es ist eben keine Privat-, sondern eine Strafsache, wenn ein Nachbar seine Partnerin demütigt oder schlägt. Die Initiative „StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt“ macht das eindrucksvoll vor. Es wäre sinnvoll ausgegebenes Geld, für solche Initiativen koordinierende Fachstellen einzurichten, die so erfolgreiche Konzepte bundesweit skalieren können. Wenn die Öffentlichkeit sensibilisiert ist, wenn Nachbarn eingreifen und auch die Täterschaft öffentlich ächten, dann haben wir einen wirklichen Ansatz. Wir müssen Kinder, Eltern und Pädagogen, Behörden, Gerichte und Polizei nachhaltig qualifizieren und sie sensibilisieren für das, was da passiert; denn die Einordnung als Eifersuchtsdrama ist eine Täter-Opfer-Umkehr, die die Frauen erneut demütigt. Das dürfen wir nicht länger zulassen. Und wir müssen an Rollenbildern arbeiten, mit denen Mädchen und Jungen von früh auf beigebracht wird, dass Gleichheit etwas anderes ist als Gleichmachen und dass es kein überlegenes Geschlecht bei uns geben darf. Wir haben Verantwortung für Hinsehen und Handeln, und das nicht nur am 25. November, sondern jeden Tag. Danke.