Sicher bringt das die Debatte an der Stelle nicht weiter. Nein. Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Heute haben wir begonnen, über ein Gesetz zu beraten, das tatsächlich zu mehr Gleichberechtigung und Respekt in diesem Land führen wird; denn im Kern geht es beim Selbstbestimmungsgesetz schlicht um die fundamentalen Rechte einer Menschengruppe. In Deutschland werden queere Menschen täglich diskriminiert; das ist leider immer noch traurige Wahrheit. Sie sind Opfer von Hass, Hetze und Gewalt. Aber mit dem Selbstbestimmungsgesetz tun wir einen großen Schritt dahin, non-binäre, inter- und transgeschlechtliche Menschen rechtlich nicht mehr schlechterzustellen; einen großen Schritt dahin, dass sie ihr Grundrecht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit ausüben können; einen großen Schritt dahin, dass der Rechtsstaat auch queere Menschen endlich sichtbarer macht. Deshalb ist es so wichtig, dass wir heute hier mit den Beratungen darüber beginnen, und ich freue mich auch auf die Ausschussberatungen, wo wir hoffentlich noch ein paar Verbesserungen erreichen können. Doch das Selbstbestimmungsgesetz ist für mich nicht nur ein Herzensprojekt – es ist schlicht und einfach verfassungsrechtlich geboten, dass wir jetzt tätig werden. Das bisherige TSG wurde Stück für Stück vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Laut den Richterinnen und Richtern des Ersten Senates schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht „gerade auch das Finden und Erkennen der eigenen geschlechtlichen Identität“. Die Menschenwürde gebietet es, die selbstempfundene geschlechtliche Identität auch rechtlich anzuerkennen. Dabei geht das Bundesverfassungsgericht auch nicht explizit davon aus, dass es zwei Geschlechter gibt. Wir sehen also, dass das höchste Gericht dieses Landes bereits weitaus weiter ist als die aktuelle Gesetzgebung. Es ist höchste Zeit, dass wir dem Rechnung tragen. Gerade deshalb empfinde ich große Enttäuschung darüber, dass diese Debatte so ausgetragen wird, wie sie aktuell ausgetragen wird. Von der AfD bin ich es längst gewohnt, dass mit Desinformationen, Hass und Hetze um sich geworfen wird, um Minderheiten zu diskreditieren. Aber es geht mir darum, dass wir als demokratische Fraktionen dieses Hauses einen gemeinsamen Konsens finden, wie wir die Betroffenen vor Beeinträchtigungen schützen können. Wir haben gehört, was sich nun alles ändern wird. Ich möchte an der Stelle noch mal betonen: Wir haben all die Probleme, die jetzt groß herbeigeredet werden, auch jetzt mit dem TSG schon an mancher Stelle. Wir lösen sie mit dem Selbstbestimmungsgesetz ein großes Stück weit. Deswegen sehe ich nicht, warum diese Problematik plötzlich so aufgebauscht wird. Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, einige von Ihnen verweisen oft auf die beiden biologischen Geschlechter, als ob das ein soziales Konstrukt wäre. Dabei erkennen auch Biologie und Medizin längst an, dass hier ein Spektrum vorhanden ist, dass es mehr als nur zwei Geschlechter gibt. Die Einteilung in männlich und weiblich greift deutlich zu kurz. Ich glaube, wir müssen uns alle darüber Gedanken machen, dass wir „Geschlecht“ nicht nur als zwei Chromosomen begreifen müssen, sondern über die Breite dieses Themas auch ganz objektiv reden können. Vielen der Gegenvorschläge, die ich heute höre, fehlt der notwendige Respekt gegenüber den Betroffenen. An dieser verfassungswidrigen Situation, die wir gerade haben, soll immer weiter festgehalten werden. Ich glaube, auch damit, dass zwei Beratungstermine verpflichtend sein sollen, lösen wir nicht das Problem, dass das für die Betroffenen ein immer wiederkehrendes, ständiges Hinterfragen der eigenen Identität bedeutet. Das ist respektlos, und das ist für mich auch ganz klar ein Widerspruch gegen die übliche Logik des Bundesverfassungsgerichts. Es ist wichtig – ich komme gleich zum Ende –, dass wir heute, nach 40 Jahren, das TSG abschaffen und endlich für Gleichberechtigung und geschlechtliche Selbstbestimmung sorgen. Vielen Dank. Ich freue mich auf die parlamentarischen Beratungen.