Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Warum machen wir das Gesetz? Die einfache Antwort wäre: Wir machen dieses Gesetz, weil das Bundesverfassungsgericht eine Novellierung angemahnt hat und wir uns nicht wie die Vorgängerregierung vor einer Entscheidung drücken. Meine Damen und Herren, die tiefer gehende Antwort ist, dass wir mit den Neuerungen viel Leidensdruck von Menschen nehmen, von einem Personenkreis, bei dem zum Beispiel die Selbstmordrate unverhältnismäßig hoch ist. Natürlich müssen wir uns als Gesetzgeber auch immer fragen, ob ein Gesetz Schwächen und Lücken hat und ob es eventuell missbraucht werden kann, wie es in Bezug auf das SBGG oftmals befürchtet wird. Meine Damen und Herren, die Änderung des Geschlechtseintrages ist nicht der Anfang für einen jugendlichen transidenten Menschen. Es ist das Ende eines langen Weges, eines Weges, der oft mit viel Schmerz und Leid einhergeht. Der Wunsch, andere Kleidung zu tragen, einen anderen Namen zu haben, ist geprägt von der Angst, ob die Eltern einen noch lieben, Freunde noch etwas mit einem zu tun haben wollen, und auf der anderen Seite geprägt von dem Wunsch, dass fremde Menschen einen so sehen, wie man ist, und nicht, wie man sein sollte. Für 99 Prozent der Bevölkerung ändert sich überhaupt nichts. Für transidente Erwachsene ändert sich, dass sie keine entwürdigende Begutachtung mehr brauchen und nicht mehr zum Amtsgericht gehen müssen. Es ist hier jetzt oft schon sehr simpel geredet worden. Wenn ich das mal so sagen darf: Was sich wirklich ändert, ist, ob sie zukünftig als Frau oder Mann Post vom Amt bekommen. Selbst im Personalausweis steht ihre geschlechtliche Identität nicht drin. Mehr, meine Damen und Herren, ändert sich nicht. Frau Bär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie eben gesagt, dass der Elternwille nicht mehr zählen soll, sondern Gerichte entscheiden. Frau Bär, ich bitte Sie dringend, solche Falschbehauptungen zu unterlassen. Wir haben sie in der Presse so wahrnehmen müssen. Die Presse hat es schon richtig verstanden. Frau Bär, das ist einfach falsch, was Sie hier sagen, und Sie tun der Gesellschaft wirklich keinen Gefallen, wenn Sie in dieser Debatte so Öl ins Feuer gießen. Meine Damen und Herren, für uns steht außer Frage, dass Kinder und Jugendliche bei der Auseinandersetzung mit ihrer geschlechtlichen Identität respektvoll behandelt werden sollen und dass sie die Möglichkeit der Selbstbestimmung bekommen. Gleichwohl ist die Einbeziehung der Sorgeberechtigten bzw. im Konfliktfall des Familiengerichts wichtig. Wie die anderen Belange auch ist es wichtig, dass das Kindeswohl der Orientierungspunkt bleibt. An der Frage wird sich nichts ändern. Transidentität ist weder eine psychische noch eine körperliche Erkrankung. Sie kann jedoch erheblichen Leidensdruck auslösen. Meine Damen und Herren, genau das wollen wir dann für transidente Menschen ändern: dass sie Respekt vom Staat erhalten, dass sie sein können, wer sie sind, und dass man sich nicht verstellen muss und dass nicht andere Leute etwas in sie hineininterpretieren, was sie überhaupt nicht sind. Gerne. Frau Kollegin, ich versuche, das jetzt einfach mal als Frage zu interpretieren. Ich kann Ihnen sagen: Wenn Sie den Gesetzentwurf richtig lesen würden, würden Sie feststellen, dass es einfach nicht stimmt, was Sie sagen. Wenn Sie wollen, dass Kinder mehr Rechte bekommen, dann müssen Sie das auch konkret machen. Dann bitte ich Sie auch darum, in den Beratungen konstruktiv mitzuwirken. Wenn es der Union hier wirklich um die Sache geht, dann bitte ich Sie eindringlich darum, Änderungsvorschläge zu machen. Und dann bin ich mal gespannt, ob das nachher nur faule Ausreden waren, um vom Acker zu gehen und nicht mit uns stimmen zu müssen, oder ob Sie konstruktive Vorschläge unterbreiten und, wenn man sie wirklich intensiv berät, am Ende bereit sind, diesem Gesetzentwurf dann auch zuzustimmen, meine Damen und Herren. Jetzt läuft mir leider schon die Zeit davon. Vielen Dank für die Frage, Frau Präsidentin. Aber nein. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch uns als Freien Demokraten ist vor allen Dingen die Beratungspflicht sehr wichtig. Das sehen Sie schon daran, dass dies in dem Eckpunktepapier angelegt ist. Das können Sie aber auch im Nationalen Aktionsplan sehen. Es ist eine Selbstverpflichtung der gesamten Bundesregierung, das Beratungsangebot auszubauen. Meine Damen und Herren, wir werden gerne auch weiter gehende Diskussionen darüber führen. Aber es bleibt dabei: Es geht darum, dass betroffenen Bürgerinnen und Bürgern lediglich ihre Identität im Verhältnis zum Staat offen bleibt und dass sie diese offen leben können. Ein kleines Stück Toleranz der Gesellschaft für ein großes Stück Freiheit für wenige Menschen, die es ansonsten ohnehin schon nicht leicht haben – ich glaube, das sollten wir uns durchaus leisten können. Vielen Dank.