CDU/CSU weigern sich, die Voraussetzungen für die Umsetzung der eigenen Antragsforderungen zu schaffen. Verstehe, wer wolle! Ich finde, das ist eine gute Gelegenheit, diese Position noch einmal einer intensiven Prüfung zu unterziehen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit ihrem Antrag zur Stärkung der Exportnation Deutschland adressiert die Union ein zentrales wirtschaftspolitisches Thema mit leichten Schwächen in der Lageanalyse. Ja, offene Märkte liegen in unserem nationalen Interesse. Das liegt aber nicht daran, dass Deutschland eine große, in Europa sogar die größte Volkswirtschaft ist und deshalb mehr exportiert als kleinere Länder, sondern daran, dass kein Land der G-20-Staaten einen so hohen Außenhandelsanteil am Bruttoinlandsprodukt hat wie wir. Geschenkt! Hoher Export und daraus resultierender Wohlstand ist ohnehin nicht Verdienst irgendeiner Regierung, sondern der von Unternehmen und ihren Beschäftigten, die mit innovativen und preisgünstigen Produkten ihre Kunden weltweit überzeugen. Anerkennung dafür verdienen die deutsche Wirtschaft und besonders der Mittelstand. Ansonsten entbehrt der Unionsantrag nicht einer doppelten Ironie. Erstens. Wenn die Union der Meinung ist, dass die Bundesregierung in Europa eine Führungsrolle einnehmen muss, um erfolgreich neue Handelsabkommen abzuschließen, dann bringt das zum Ausdruck, dass sie diese Führungsrolle der eigenen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nicht zutraut. Zweitens. Wenn die Union von der Bundesregierung jetzt das erwartet, was sie jahrelang selbst hätte tun können, dann bringt sie damit das Eingeständnis zum Ausdruck, dass man nicht in der Lage oder willens war, dann Führung zu übernehmen, als das Kanzleramt in CDU-Händen lag, liebe Kolleginnen und Kollegen. Welchen anderen Schluss soll das nahelegen als den, dass sich die Union genau da wohlfühlt, wo sie sitzt, nämlich auf der Oppositionsbank? Die Antragsforderung nach mehr EU-only-Abkommen überrascht, nicht weil auch die FDP und der Bundeskanzler das vor einem Jahr gefordert haben – noch mal geschenkt –, sondern weil für den Fall der EU-only-Abkommen keine Ratifizierung durch die nationalen Parlamente zu erfolgen braucht, was zur Folge hat, dass wir im Bundestag auf anderem Wege unseren grundgesetzlich auferlegten Kontroll- und Mitwirkungspflichten nachkommen müssen. Deshalb haben die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU angeboten, einen Unterausschuss Handel einzurichten. Genau das lehnen CDU/CSU jedoch beharrlich ab. Zu guter Letzt überrascht auch die Forderung, auf exporterschwerende Maßnahmen bis zum Abschluss neuer Handelsabkommen zu verzichten. Hoffen wir mal, dass die Union auch danach noch auf etwaige Exporterschwernisse verzichten will! Exporterschwerend wirkt übrigens die europäische CBAM-Verordnung, die seit dem 1. Oktober neue Bürokratielasten für Exporteure verursacht. Daher mein Appell: Bitte machen Sie Ihren Einfluss in Brüssel geltend, gerne mit uns gemeinsam, um bei CBAM noch einmal kräftig nachzubessern! Damit tun Sie der Wirtschaft und besonders dem Mittelstand einen größeren Gefallen, als wenn Sie hier die Bundesregierung als größte Bedrohung für den deutschen Export diffamieren. Die Koalition hat infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ihre Handelsagenda neu justiert. Wir haben CETA ratifiziert; das war wichtig und gut. Kollege Spahn, ich erinnere mich an flammende Reden vor einem Jahr, in denen Sie das in Zweifel gezogen haben; aber wir haben das gemacht. Ja, die Formel „Wandel durch Handel“ war vielleicht naiv und da, wo wir Wunschdenken und nicht politische Realitäten als Maßstab angelegt haben, wohl auch falsch. Aber wer glaubt, die Formel „Wandel ohne Handel“ wäre auch nur ein Fünkchen richtiger, der irrt gewaltig. Das Gegenteil ist der Fall: Mehr Handelsabkommen sind das geopolitische Gebot der Stunde. Erfolgreiche Verhandlungen setzen voraus, dass sie auf Augenhöhe geführt werden. Augenhöhe kann es aber nicht geben, wenn unsere Partner den Eindruck gewinnen, dass Europa seine Standards weltweit – koste es, was es wolle – durchdrücken will. Wenn im Globalen Süden die Wahrnehmung um sich griffe, dass Lieferkettenrichtlinie, CBAM, Taxonomie-Verordnung und vieles mehr einen neokolonialen Geist atmen, dann dürften wir uns nicht wundern, wenn der chinesisch-russische Aufruf an die Welt, sich einer globalen antiwestlichen Allianz anzuschließen, verfängt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wir mit unserer Handelsagenda und Sie mit Ihrem Antrag heute, wir sind doch gar nicht so weit auseinander. Neue Dynamik und Führung in der Handelspolitik ist ein gutes Signal. Je breiter der Konsens in der Sache hier ist, desto größer sind die Erfolgschancen in Brüssel und an den Verhandlungstischen. Wenn Sie es ernst meinen mit Ihrem Antrag, dann machen Sie den Weg frei für den Unterausschuss Handel! Die Wirtschaft, besonders der Mittelstand, wird es Ihnen und uns danken.