Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung der Zivilprozessordnung macht sich anheischig, ein spezielles praktisches Problem in der Zivilrechtspflege zu beheben. Wenn wir hier im Parlament ein Gesetz ändern oder ein neues Gesetz beschließen, dann ist der Wortlaut des Gesetzes notwendigerweise abstrakt formuliert, damit er auf eine Vielzahl von Lebenssachverhalten angewendet werden kann. Welche konkreten Sachverhalte von dem Gesetz tatsächlich erfasst werden oder gerade auch nicht, erfährt die Welt in voller Schönheit erst, nachdem das Gesetz eine Weile auf der Welt ist und die Gerichte eine gewisse Anzahl von Fällen dazu entschieden haben. Erst nach und nach wird so in der praktischen Anwendung die präzise Reichweite eines Gesetzes klar, sodass sich die Bürger und der Geschäftsverkehr dann darauf einstellen können. Weil wir ein ausdifferenziertes und mehrstufiges Gerichtswesen haben, kann es eine Weile so sein, dass verschiedene Gerichte zu einer bestimmten gesetzlichen Vorschrift verschiedene Auffassungen haben. Irgendwann erreicht die Frage aber meist den Bundesgerichtshof. Wenn der darüber entschieden hat, dann gilt sie als geklärt, und die Untergerichte halten sich fast immer daran. Dass das eine Weile dauert, ist systemimmanent und auch gewollt. Denn für eine sorgfältige, durchdachte und abgewogene Entscheidung der Revisionsinstanz ist es in der Regel förderlich, wenn sich zunächst verschiedene Instanzgerichte anhand von unterschiedlichen Sachverhalten mit der Norm befasst und sie aus mehreren Blickwinkeln beleuchtet haben. Die Zeit, die das in Anspruch nimmt, und der dabei unvermeidlich entstehende Arbeitsaufwand bei den Untergerichten sind also nicht nutzlos, sondern fördern idealerweise die Qualität der letztlich ergehenden Revisionsentscheidung. Das sollte man nicht vergessen, wenn man darauf abzielt, durch Änderungen der Prozessordnung möglichst schnell zu einer finalen Auslegung durch den Bundesgerichtshof zu gelangen. Misslich ist es allerdings, wenn eine Klärung der Rechtsfrage durch den BGH nur daran scheitert, dass die Parteien eines Rechtsstreits das Revisionsverfahren abbrechen, bevor eine Entscheidung in der Sache ergeht. Insofern der vorliegende Entwurf für diese spezielle Situation einen Ausweg aufzeigen will, ist er allemal bedenkenswert. Allerdings sind in den bisher vorliegenden Stellungnahmen, etwa des Richterbundes und des Bundesrates, auch noch weiter gehende Fragen aufgeworfen, die es im Gesetzgebungsverfahren zu bedenken gilt. Insbesondere möchte ich die Stellungnahme des Verbands der Insolvenzverwalter zur Beachtung empfehlen. Sollte es zu dem Gesetzentwurf eine Anhörung geben, wird die sicherlich interessant; aber dazu überweisen wir den Entwurf jetzt erst einmal in den Rechtsausschuss. Vielen herzlichen Dank. Gute Nacht!