- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fettarme Chips, zuckerfreie Softdrinks, kalorienarme Schokolade: Lightprodukte halten oft nicht, was sie versprechen. Im Gegenteil: Mit Ersatzstoffen halten sie unseren Stoffwechsel zum Narren und erweisen sich damit als wahre Mogelpackung.
Ähnlich ist es mit dem Leitentscheidungsverfahren zum Bundesgerichtshof. Schneller, effizienter, entlastend: So preist es sein Hersteller an; wir haben es gerade von Bundesminister Buschmann gehört. Doch ein Blick in den Gesetzentwurf zeigt schnell: Das Leitentscheidungsverfahren hält nicht, was es verspricht.
Schneller macht es die Erledigung von Massenverfahren so gut wie gar nicht. Die Verfahren müssen weiter munter durch die Instanzen wandern, von der Eingangs- in die Berufungs-, von der Berufungs- in die Revisionsinstanz. Erst nach diesem langen Marsch durch die Instanzen kann überhaupt ein Leitentscheidungsverfahren bestimmt werden. Viel einfacher und schneller wäre es mit unserem Vorschlag, den Instanzenzug durch ein Vorabentscheidungsverfahren oder eine Ausweitung der Sprungrevision zu verkürzen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Effizienter macht das Leitentscheidungsverfahren die Erledigung von Massenverfahren kaum. Denn auch der BGH kann ein Leitentscheidungsverfahren erst nach Revisionseinlegung, nach Zustellung der Revisionsschrift, nach Revisionsbegründung und deren Zustellung, nach Ablauf eines weiteren Monats oder nach Eingang der Revisionserwiderung bestimmen. Das ist viel zu spät. Hat es ein Verfahren dann endlich zum Leitentscheidungsverfahren geschafft, hat das aber zumindest auch etwas Gutes: Der BGH kann eine Entscheidung in der Sache auch bei Flucht in die Revisionsrücknahme oder bei späten Vergleichen aus parteitaktischen Gründen treffen.
Entlastend wirkt das Leitentscheidungsverfahren dann aber wieder gar nicht; denn die unteren Instanzen können ein paralleles Massenverfahren überhaupt erst dann aussetzen, wenn erstens der BGH nach Monaten ein Leitentscheidungsverfahren bestimmt hat und zweitens die Parteien zustimmen. Das ist ein absolut stumpfes Schwert und entspricht dem Status quo; denn Sie können heute schon ein paralleles Massenverfahren mit Zustimmung der Parteien bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung ruhend oder terminlos stellen. In Massenverfahren will das aber in aller Regel eine Partei nicht; das kann ich Ihnen aus jahrelanger richterlicher Erfahrung bestätigen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Fazit: Das Leitentscheidungsverfahren ist eine wahre Mogelpackung. Es hält die überlasteten Gerichte mit Placeboregelungen zum Narren. Wenn Sie von der Ampel dennoch weiter an diesem Gesetzentwurf festhalten wollen, dann überlegen Sie doch mal, wenigstens so ehrlich zu sein und seinen Namen zu ändern. Schreiben Sie „Leit“ nicht weiter mit L – E – I – T, sondern besser mit L – I – G – H – T. Dann steht nämlich zumindest drauf, was wirklich drinsteckt: ein Lightentscheidungsverfahren.
Beifall bei der CDU/CSU
Heiterkeit des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])
Das Wort hat Sonja Eichwede für die SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)