Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! „Der Osten hat keine Zukunft, solange er nur als Herkunft begriffen wird“, sagt Dirk Oschmann, der eines der Bücher über den Osten geschrieben hat, die zurzeit die Debatte beherrschen. Sie alle, alle diese Bücher, werden sehr kontrovers diskutiert. Ich finde, das ist schon einmal ein guter Befund. Ich selbst bin im Westen geboren und habe 16 Jahre einen Wahlkreis im Osten Berlins gehabt und wahrlich viel dabei gelernt. Aber es bleiben natürlich Fragen, manche Ratlosigkeit. Heute vor 34 Jahren ist die Mauer gefallen, weil sie von einigen sehr mutigen Menschen durchbrochen worden ist. Sie haben die Freiheit möglich gemacht, in der heute genau diese kontroversen Debatten geführt werden. Und fast wirkt es so, wie der Historiker mit DDR-Vergangenheit Ilko-Sascha Kowalczuk jüngst im „Spiegel“ vermutet – ich zitiere –: Und: Wie kann es dann sein, dass es von links wie rechts derart viele scharfe Kritiker der freiheitlichen Grundordnung gibt, die genau diese Ordnung überwinden wollen? Frau Schönberger, wenn wir uns fragen, woher die erkennbare Wut auf die westlichen Werte in weiten Teilen Ostdeutschlands kommt, dann müssen wir erkennen: Dazu trägt entscheidend bei, dass die kommunistische Vergangenheit immer noch nicht hinreichend aufgearbeitet worden ist. Umso wichtiger ist es, von der persönlichen – so wirkte jedenfalls Ihre Rede auf mich – auf die wissenschaftliche Ebene zu schauen; denn genau so hängen Geschichtsbetrachtung und Erkenntnisinteresse sehr wohl und sehr eng zusammen. Es braucht gerade diese wissenschaftliche Einordnung geschichtlicher Ereignisse. Deshalb war es richtig, dass die unionsgeführte Bundesregierung schon früh gezielt Anreize für eine entsprechende DDR-Forschung im Rahmenprogramm Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften gesetzt hat, mit Projektfinanzierungen übrigens, die auch ungewöhnliche Kooperationen ermöglichten. Genau das war ihre Stärke: die Zusammenarbeit mit Hochschulen, Museen, Opferverbänden und vor allem auch mit Schulen. Denn genau daran, lieber Herr Seiter, finde ich, fehlt es dann doch nach wie vor. Schaut man sich vor allem die Lehrerausbildung an, dann wird klar: Bund und Länder müssen die Weichen dafür stellen, dass an den Lehrstühlen in Neuerer Geschichte und Zeitgeschichte auch und vor allem die Kommunismusgeschichte abgedeckt wird – in der Forschung und vor allem in der Lehre. Wenn das politisch gewollt ist, dann muss es auch finanziert werden mit dem nötigen Respekt vor der Freiheit von Wissenschaft und Forschung und natürlich vor der Hochschulautonomie. Aber wenn das an den Unis nicht aus eigener Kraft passiert, dann muss die Politik mit Anschubfinanzierungen helfen, mit fünfjährigen Stiftungsprofessuren oder mit der gezielten Einsetzung einschlägiger Juniorprofessuren. Mit derartigen Programmen wird man das Erbe der DDR-Diktatur in den universitären Curricula verankern können. Und nur so werden wir genügend Lehrerinnen und Lehrer mit dem nötigen Fachwissen an die Schulen schicken können. Dass wir alle heute hier in Frieden und Freiheit leben können, haben wir nicht zuletzt den mutigen Frauen und Männern zu verdanken, die am 9. November 1989 die Mauer endgültig zu Fall brachten. Frieden, Freiheit und Demokratie müssen täglich verteidigt werden, und das gelingt nur, wenn der antitotalitäre Konsens hält. Dazu gehört nicht nur Antifaschismus, dazu gehört auch Antikommunismus. Das müssen wir wissen. Das müssen unsere Lehrer wissen. Und das müssen unsere Schülerinnen und Schüler wissen. Deutschland hat zwei Diktaturen in einem Jahrhundert erlebt. Wenn wir wollen, dass Diktaturen sich nicht wiederholen, müssen wir die Umstände kennen, in denen ihr Keim gelegt wurde. Die rüden Mittelkürzungen des BMBF im Programm DDR-Unrecht sind ganz sicher dafür nicht der richtige Weg.