Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion Die Linke fordert einen gesetzlichen Mindestlohn von 14 Euro. Das kommt jetzt ungefähr so überraschend wie Weihnachten am 24. Dezember. Bei allem Guten, was man über die Anpassung des Mindestlohns im vergangenen Jahr denken mag, war das immer der große Nachteil: Ein politischer Eingriff in die Arbeit der unabhängigen Mindestlohnkommission birgt das Risiko eines politischen Überbietungswettbewerbs. Deshalb war es klug und wichtig, dass die Koalition im Koalitionsvertrag vereinbart hat, dass es bei einem einmaligen Eingriff bleibt und die Kommission danach ihre Arbeit wieder aufnimmt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau so haben wir das gemacht. Die Fraktion Die Linke beantragt also einen erneuten Eingriff. Begründung: Man ist mit der Empfehlung der Mindestlohnkommission aus dem Sommer nicht zufrieden. Ihre Bewertung soll also die erneute Außerkraftsetzung des Mindestlohngesetzes rechtfertigen. Da gehen wir nicht mit. Anpassungen müssen auch weiter auf Grundlage der Empfehlung der Sozialpartner kommen und nicht auf Grundlage eines politischen Überbietungswettbewerbs, liebe Kolleginnen und Kollegen. Da machen wir nicht mit. – Einmal, ganz genau einmal. Entweder Sie respektieren das Mindestlohngesetz, das wir haben, oder Sie organisieren eine politische Mehrheit für dessen grundlegende Änderung. Beides kann ich im vorliegenden Antrag jedenfalls nicht erkennen. Womit wir aber nicht anfangen sollten, ist, dass Gesetze immer dann ausgesetzt werden, wenn uns die Folgen derselben nicht in den Kram passen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, um es sehr deutlich zu sagen: Das passt nicht zu meinem Verständnis von Verlässlichkeit im Rechtsstaat. Die Anträge der Fraktion Die Linke stellen einen schweren Eingriff in das Mindestlohngesetz dar und stören den funktionierenden Arbeitsmarkt empfindlich. Aber damit nicht genug: In Zeiten hoher Inflation heizt man so die Lohn-Preis-Spirale an. Das brauchen wir gar nicht. Wir sind vielmehr überzeugt: Die Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission – Kollege Oellers und die Liberalen sind da eins – garantiert die Stabilität auf dem Arbeitsmarkt und sichert gleichzeitig Beschäftigungschancen für Menschen mit Einstellungshindernissen, und genau so ist das richtig. Eine 14-Euro-Forderung von der Fraktion Die Linke überrascht nicht, eine 14-Euro-Forderung von der CDU dafür umso mehr, also nicht hier im Plenum des Bundestags, aber da, wo Sie den Arbeitsminister stellen, nämlich in Nordrhein-Westfalen. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin die „Rheinische Post“ vom 28. Oktober 2023: Eine gerechte Lohnuntergrenze liegt für den NRW-Arbeitsminister bei 14 Euro. Im Interview lässt er dann verlautbaren, die Mindestlohnkommission sei eine Katastrophe, das Gremium sei am Ende. Ich brauche das nicht zu wiederholen; Frank Bsirske hat bereits dazu ausgeführt. Was ist das bitte schön für eine Botschaft an den Mittelstand, an die vielen kleinen Unternehmen in unserem Land, die täglich um Kunden und Aufträge kämpfen? Mit welchen Löhnen sollen die in Zukunft planen? Auf welcher Grundlage sollen sie ihre Preise anpassen? Warum sollen sie noch in der Tarifbindung bleiben, wenn der Staat die Lohnfestsetzung übernimmt? Hat die Union das eigentlich wirklich mal zu Ende gedacht? Ludwig Erhard, auf den Sie so stolz sind, würde sich im Grabe umdrehen, wenn er von solchen Vorstößen erführe, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Union. Der Staat setzt einen Mindeststandard, um Preiswettbewerb zulasten von Lohnbeziehern zu begrenzen, wie der von mir sehr geschätzte und viel zu früh verstorbene ehemalige Kollege Matthias Zimmer immer wieder zu Recht betont hat. Ein geeignetes Instrument zur Armutsbekämpfung war der Mindestlohn nie. Wir Freien Demokraten setzen vielmehr auf selbstbestimmten Aufstieg aus eigener Kraft. Niemand kann sich am Ende wünschen, dass die Menschen nur Mindestlohn verdienen. Mehr soll es sein. Dafür verbessern wir die Rahmenbedingungen: Erstens. Bildung und Qualifizierung sind der beste Weg aus der Armut. Deshalb haben wir die Weiterbildungsförderung reformiert. Zweitens. Arbeit in Vollzeit schützt vor Armut, auch im Alter. Deshalb wollen wir Liberale mehr Arbeitszeitflexibilisierung. Das hilft bei Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Drittens. Investitionen steigern die Produktivität. Das zieht die Löhne hoch. Deshalb stärken wir die Wirtschaft mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz und dem Wachstumschancengesetz. Zu guter Letzt: Der Mindestlohn ist ein Bruttolohn, und wenn schon Beschäftigte nicht mehr als den Mindestlohn verdienen, dann sollten wir wenigstens den Steuergrundfreibetrag erhöhen und damit dafür sorgen, dass ihnen mehr Netto vom Brutto bleibt. Dafür sind wir auch zuständig. So sorgen wir ganz ohne ordnungspolitischen Flurschaden für mehr Kaufkraft bei vielen fleißigen Menschen. Sie haben es sich verdient.