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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich eins ganz am Anfang feststellen: Wir alle hier in diesem Hohen Hause tragen Verantwortung – Verantwortung für das Leben der Menschen in diesem Land. Deshalb bin ich für alle ansprechbar.
Wie viele hier in diesem Raum bekomme ich Hunderte von Mails, in denen ich darum gebeten werde, nicht für eine allgemeine Impfpflicht zu stimmen. Die Angst, die in diesen Mails mitschwingt, die nehme ich ernst. Der Hass, die Fehlinformationen und die Vergleiche mit der NS-Zeit sind aber schwer zu ertragen.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Nein, das Grundgesetz ist nicht außer Kraft gesetzt. Nein, ein Entwurmungsmittel ist nicht geeignet, um effektiv gegen Corona zu kämpfen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
In Japan hat Ivermectin geholfen!)
Und nein, der Nürnberger Kodex ist nicht relevant für die aktuelle Situation.
Ich bin Juristin, und es gehört zu meinem Handwerk, zu verstehen, wie Grundrechte funktionieren und wie sie in Einklang miteinander gebracht werden können. Für mich steht außer Zweifel, dass eine allgemeine Impfpflicht verfassungskonform ausgestaltet werden kann.
Und wir brauchen eine Impfpflicht. Wir brauchen sie, weil sich viel zu wenig Menschen in diesem Land haben impfen lassen.
Wie viele müssen sich impfen? Sagen Sie eine Prozentzahl! Wie viele brauchen wir? 90 Prozent? 98 Prozent? 110 Prozent?)
Wir brauchen sie, damit die Pandemie eine Endemie wird. Wir brauchen sie, damit unser Gesundheitswesen die nächste Welle übersteht; sie ist schon prognostiziert. Und wir brauchen sie, damit die grundrechtseinschränkenden Maßnahmen endlich und schnellstmöglich ein Ende finden.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
All das sind legitime Ziele, welche wir mit einer allgemeinen Impfpflicht verfolgen und auch erreichen können. Eine Impfpflicht ist eben ein geeignetes Mittel, um diese Ziele zu erreichen.
An dieser Stelle möchte ich auch denen erneut widersprechen, die sagen, dass eine Impfpflicht ein Impfzwang ist. Pflicht und Zwang sind im juristischen Sinne etwas ganz anderes.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Ich hatte noch Wehrpflicht! Ich wäre im Knast gelandet, wenn ich das nicht gemacht hätte!)
Niemand wird von der Polizei abgeholt werden, um zum Impfen gebracht zu werden. Kein Arzt wird gezwungen, Menschen gegen ihren Willen zu impfen. Ein solches Szenario wäre verfassungsrechtlich gar nicht möglich und wird in keiner Form angestrebt. Alle, die das behaupten, handeln unlauter.
Beifall bei der SPD)
Ich möchte aber auch klar sagen, dass eine Impfpflicht aus meiner Perspektive nur dann geeignet ist, die Pandemie zu beenden, wenn es sich um eine Impfpflicht ab 18 Jahren handelt. Denn auch diese jungen Leute haben schwere Verläufe. Sie haben die meisten sozialen Kontakte und tragen erheblich zum Pandemiegeschehen bei. Eine hier diskutierte starre Grenze von 50 Jahren ist meines Wissens wissenschaftlich nicht zu begründen und erscheint mir deshalb willkürlich gewählt.
Und was machen wir dann in einem halben Jahr, wenn wir herausfinden, dass die Impfpflicht ab 50 Jahren nicht hilft? Was machen wir dann?
Was machen wir, wenn die ab 18 Jahren nicht hilft?)
Deshalb stellt eine so ausgestaltete Impfpflicht für mich auch kein gleich geeignetes milderes Mittel dar.
Die allgemeine Impfpflicht ist erforderlich, um die Impflücke zu schließen, die wir schließen müssen. Sie bietet uns zudem die Chance, noch die Menschen zu erreichen, die sich noch nicht radikalisiert haben und Verschwörungsmythen noch nicht zum Opfer gefallen sind.
Lachen des Abg. Jörn König [AfD])
Den Menschen, die unsicher sind, wird die Impfpflicht Halt bieten; denn wir übernehmen für sie mit unserer Entscheidung Verantwortung.
Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ja, es gibt Nebenwirkungen der Impfung. Aber die Gefahr einer schweren Nebenwirkung ist schwindend gering. Ja, es gibt Impfdurchbrüche.
Aber die Verläufe sind wesentlich milder, die Chance, an Long Covid zu erkranken, ist geringer, und die Ansteckungsgefahr für andere ist reduziert.
Bei der angemessenen Ausgestaltung wird es für uns Juristinnen und Juristen spannend. Das ist die größte Herausforderung. Für mich ist klar: Sie muss zeitlich begrenzt sein, aber auch durchsetzbar. Gleichzeitig darf eine Durchsetzbarkeit nicht dazu führen, dass Gesundheitsdaten unrechtmäßig erhoben und verarbeitet werden. Und auch eine Beratungspflicht im ersten Schritt halte ich für sinnvoll. Das ist miteinander vereinbar. So ist es ja auch bei der Masernimpfpflicht. Das kann man an der Stelle mal sagen; es ist ja keine neue Idee.
Unsere Aufgabe muss es sein, eine verfassungskonforme Ausgestaltung einer Impfpflicht ab 18 Jahren zu realisieren. Davon bin ich überzeugt. Nehmen wir diese Herausforderung an! Lassen Sie uns die Pandemie beenden! Wir wissen, wie.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Aussprache.