– Ja. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland hat einen dringenden Arbeitskräftebedarf – das ist hinreichend bekannt; darüber haben wir hier an dieser Stelle schon sehr oft diskutiert –, und wir als Koalition haben ja auch einiges an Maßnahmen auf den Weg gebracht: Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz entfaltet bald seine Wirkung, die Ausbildungsgarantie ist auf den Weg gebracht, und neben den vielen anderen Maßnahmen zeigt eben auch die Abschaffung der Hinzuverdienstgrenzen bei Frührenten Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt; Kollegin Schulz hat es auch schon angesprochen. In diesem Kontext wird aber auch immer wieder die Frage aufgeworfen, ob wir die Hinzuverdienstgrenze bei Witwenrenten oder anderen Sonderrenten wegfallen lassen. Sie betiteln Ihren Antrag mit „Hinzuverdienstgrenzen bei den Witwenrenten neu regeln – Fachkräfte freisetzen“. Ich halte das, ehrlich gesagt, schon für eine sehr spannende Herangehensweise, zum einen, weil Sie suggerieren, es würde unser Fachkräfteproblem lösen, wenn Witwen mehr arbeiten. Haben Sie sich eigentlich mal angeschaut, was das durchschnittliche Zugangsalter bei der Witwenrente ist? Bei Frauen deutlich über 70. Derzeit erhalten rund 200 000 Menschen unter 65 Jahren eine Rente unter der Hinzuverdienstgrenze, aber 2,2 Millionen, die älter als 65 Jahre sind. Über 70-Jährige wollen Sie also jetzt unbedingt auf den Arbeitsmarkt ziehen? Ist das Ihre Fachkräftestrategie? Zum anderen versuchen Sie hier, verwitweten Frauen einzureden, wir würden uns anstatt um ihre Einkommensnachteile lieber um ausländische Fachkräfte kümmern. Das nenne ich das Ausnutzen von persönlichen Schicksalen, um dann Ihr menschenverachtendes Weltbild zu platzieren. So mobilisieren Sie Ihre Wählerschaft. Doch was tun Sie denn wirklich für sie? Wir sehen hier tagtäglich, wie Sie Ihre für irgendwelche dubiosen Facebook-Foren und Telegram-Chats zugeschnittenen Redebeiträge halten, die nichts verbreiten außer Diffamierung, Hetze und Fake News. Aber erzählen Sie neben den ganzen Parolen hier im Haus Ihren Wählerinnen und Wählern überhaupt, was Sie mit Ihrer Politik für sie umsetzen würden, wenn Sie denn dazu in der Lage wären? Wissen Ihre Wählerinnen und Wähler eigentlich, dass sie es selbst sind, die am stärksten unter Ihrer Politik leiden würden? Sie ernennen sich hier zur Fürsprecherpartei. Für wen eigentlich? Lassen Sie uns doch schauen, was Sie für Ihre Wählerinnen und Wähler, für Frauen und Witwen tun wollen. In Ihrer Wählerschaft sind Arbeiterinnen, Arbeiter und Arbeitslose überdurchschnittlich vertreten. Das ist richtig. Ihnen bescheinigen Sie, dass ihre Frustration über das eigene Leben und ihr Gefühl von Benachteiligung berechtigt ist. Sie erzählen ihnen aber natürlich nicht, dass Sie sich für niedrige Löhne für Geringverdiener aussprechen. Sie haben dem Mindestlohn nicht zugestimmt. Sie erzählen ihnen nicht, dass Sie Sozialleistungen abbauen wollen: sechs Monate Bürgergeld, dann „Zwangsarbeit“ für Arbeitslose. Sie erzählen ihnen auch nicht, dass Sie Steuersenkungen für Spitzenverdiener fordern. Ganz ehrlich: Wer solche Fürsprecher hat, ist im wahrsten Sinne des Wortes arm dran. Sie sorgen sich vermeintlich um Witwen, schweigen sich aber darüber aus, dass die schlechten Renten von Frauen und Witwen mit ihren brüchigen Erwerbsbiografien zu tun haben. Nein, Sie wollen sogar eine Rückführung in ein Frauenbild der 50er-Jahre, bei dem die Witwenrente die beste Rente wäre, die Frauen zu erwarten hätten. Wenn wir verhindern wollen, dass Frauen auf die Rentenansprüche ihres Partners angewiesen sind, dann ist der Ansatz ein ganz anderer: Wir brauchen eine vollständige Gleichstellung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Frauen tragen immer noch die Hauptlast für die Sorgearbeit in der Familie. Hier braucht es Lösungen, um gesellschaftliche Zwänge abzubauen. Dazu gehören genug Kinderbetreuungsplätze, Pflegeplätze und eine echte paritätische Aufteilung der Carearbeit. Für Sie ist das feministischer Firlefanz, für uns nur eins: das wirkliche Einstehen für die Rechte von Frauen. Dafür kämpfen wir, dafür tun wir was. Herzlichen Dank.