Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gegen Ende der Debatte möchte ich den Blick noch mal etwas weiten. Vor rund zwei Wochen waren in der „FAZ“ zwei Sätze des Bundesjustizministers zu lesen – einen hat der Parlamentarische Staatssekretär eben wiederholt –: Diese Erkenntnis ist richtig, aber auch nicht wirklich neu. Es überrascht allerdings, dass ausgerechnet Sie von der Ampel sprudelnde EU-Bürokratie beklagen. In den letzten beiden Jahren haben doch gerade Sie nichts unternommen, um diese Quelle zum Versiegen zu bringen – im Gegenteil. Blicken wir zunächst nach Brüssel. Schon dort haben Sie aus einem europäischen Rinnsal einen wahren Bürokratiefluss gemacht. Erstes Beispiel: Nachhaltigkeitsberichterstattung. In Deutschland werden künftig nicht mehr nur 500, sondern 15 000 Unternehmen über Aspekte wie Diversität, Geschlechtergerechtigkeit und die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter berichten müssen. Wer hat in Brüssel zugestimmt? Die Ampel. Zweites Beispiel: Lohntransparenzrichtlinie. In Deutschland werden künftig mehr als 50 000 Unternehmen über geschlechtsspezifische Lohngefälle berichten und eine Entgeltbewertung vornehmen müssen. Wer hat das in Brüssel nicht abgelehnt? Richtig, die Ampel. Drittes Beispiel: CBAM. In Deutschland werden viele Unternehmen künftig mittels eines 266 Seiten langen Leitfadens berechnen und dokumentieren müssen, wie viel CO2 bestimmte importierte Waren verursacht haben. Sie ahnen schon: Zugestimmt in Brüssel hat auch hier die Ampel. Diese Beispiele ließen sich beliebig erweitern, und sie machen eines deutlich: Zeigen Sie von der Ampel in Sachen Bürokratie nicht mit dem ausgestreckten Finger nach Brüssel, wenn Sie eben dort bei fast jeder sich bietenden Gelegenheit die Hand für neue, überbordende Bürokratie heben. Wenn es Ihnen mit dem Bürokratieabbau in Europa ernst ist, dann schließen Sie sich einfach unseren Forderungen für einen Bürokratiestopp und ein Belastungsmoratorium auf EU-Ebene an. Und reden Sie nicht länger, sondern fangen Sie doch einfach an! Stellen Sie sicher, dass das europäische nicht über das deutsche Lieferkettengesetz hinausgeht. Stoßen Sie eine Reform der DSGVO an. Ziehen Sie Ihren Antrag für ein pauschales PFAS-Verbot zurück. Setzen Sie sich für ein Ende der lästigen A1-Bescheinigung ein. Und sorgen Sie für eine Vereinfachung der leidigen Arbeitsdokumentation. Und lieber Kollege Mansoori, wir verhindern da nichts, sondern wir warten seit über einem Jahr darauf, dass Ihre Regierung sich auf einen Gesetzentwurf verständigt. Noch nicht einmal das schaffen Sie an dieser Stelle. Aber wir müssen gar nicht bis nach Brüssel schweifen; denn hier in Berlin machen Sie munter weiter und aus dem europäischen Fluss einen reißenden Bürokratiestrom im deutschen Recht. Erstes Beispiel: Nachweisrichtlinie. Statt den Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen in Textform zu ermöglichen, schreiben Sie den Arbeitgebern lieber Schriftform und einen unnötigen Papierwust vor. Zweites Beispiel: Verbandsklagerichtlinie. Statt an den bewährten Voraussetzungen der Musterfeststellungsklage festzuhalten, erleichtern Sie lieber Verbandsklagen gegen Unternehmen. Drittes Beispiel: Hinweisgeberschutz. Statt zusätzliche Belastungen und Kosten für 90 000 Unternehmen zu vermeiden, satteln Sie im Anwendungsbereich und bei den Meldestellen lieber munter drauf: Umsetzung nicht eins zu eins, sondern mal eins zu zwei, eins zu drei und mal eins zu vier. Wenn es Ihnen mit dem Bürokratieabbau in Europa ernst ist, dann schließen Sie sich einfach unseren Forderungen an. Sehr gerne. Herr Kollege Lieb, vielen Dank für diese Zwischenfrage. – Wir haben viele dieser Vorschläge schon in vorangegangenen Anträgen formuliert. Nehmen Sie das Beispiel des Lieferkettengesetzes, nehmen Sie das Beispiel des PFAS-Verbots, nehmen Sie das Beispiel der Arbeitsdokumentation. Das ist alles nichts Neues. All das ist etwas, was wir schon lange und intensiv hier im Deutschen Bundestag verlangen. Aber Sie kommen mal wieder nicht in die Puschen. Und Sie bringen diese Vorhaben in Europa nicht voran. Und wenn es Ihnen mit dem Bürokratieabbau in Europa ernst ist, dann schließen Sie sich auch hier unseren Forderungen an. Setzen Sie sich dafür ein, dass EU-Richtlinien in Deutschland künftig nur noch eins zu eins umgesetzt werden. Das hat die FDP immer versprochen. Versprochen – gebrochen an der Stelle. Und berücksichtigen Sie die Umsetzung von EU-Recht künftig auch in der Bürokratiebremse „One in, one out“. In den letzten beiden Jahren waren Sie von der Ampel in Sachen Bürokratieabbau in Deutschland und in Brüssel Wellenreiter. Werden Sie Wellenbrecher, und schließen Sie sich unseren Forderungen an.