Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich vor 12 oder 24 Monaten hier gestanden hätte, dann hätte ich gegen eine allgemeine Impfpflicht gesprochen. Auch heute noch wäre ich froh, wenn sie nicht notwendig wäre. Doch ich bin davon überzeugt, dass Politikerinnen bereit sein müssen, zu lernen und auf eine sich verändernde Realität zu reagieren. Und diese Realität zeigt uns doch, dass wir eine verdammt hohe Impfquote brauchen, um der Überlastung unseres Gesundheitssystems vorzubeugen und um zu verhindern, dass wir unkontrolliert von Welle zu Welle rutschen. Deshalb stehe ich heute hier und werbe dafür, dass wir das Hamsterrad dieser Pandemie verlassen und eine allgemeine Impfpflicht ab 18 auf den Weg bringen. Ja, das ist eine Frage der Freiheit, aber nicht nur eine abstrakte Abwägung zwischen Freiheit und Solidarität. Sondern es geht um die ganz konkrete Frage, welche Maßnahmen wir brauchen, um die größtmögliche Freiheit zu erreichen. Denn auf der einen Seite steht der Eingriff durch die Impfpflicht, doch auf der anderen Seite stehen die massiven Freiheitseinschränkungen durch die Maßnahmen, die immer wieder notwendig sind, von der Absage von Kulturveranstaltungen bis zur Schließung von Geschäften. Und diese Einschränkungen treffen uns alle, egal ob geimpft oder ungeimpft. Die allgemeine Impfpflicht hat damit eine positive Freiheitsbilanz. Die allgemeine Impfpflicht schützt unsere Freiheit. Doch dafür muss sie das langfristige Ziel haben, dass aus der Coronapandemie eine Endemie wird. Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass weniger Maßnahmen notwendig sind. Dafür reicht aus meiner Sicht eine altersgestaffelte Impfpflicht nicht; dafür braucht es eine allgemeine Impfpflicht. Und ich finde, wenn wir eine Impfpflicht einführen, dann muss sie auch wirken. Damit schützen wir gerade auch die Freiheit derer, die in den letzten zwei Jahren die größten Lasten getragen haben – der Eltern, die jeden Tag darüber entscheiden, ob sie eher die psychische oder die körperliche Gesundheit ihrer Kinder schützen; der Frauen, die auf Teilzeit gewechselt sind und jetzt ein noch höheres Risiko der Altersarmut tragen; der Jugendlichen, die teilweise nicht ein Mal mit ihren Kolleginnen oder Kommilitoninnen zusammen an einem Tisch saßen, und der Kleinsten in unserer Gesellschaft, die doch überhaupt nicht verstehen, warum sie immer wieder in Quarantäne müssen. Und ja, das sind nicht die Lautesten, das sind nicht die, die gerade auf die Straße gehen. Und warum? Weil sie schlichtweg nicht die Kraft dazu haben, weil sie seit fast zwei Jahren auf dem Zahnfleisch gehen und weil sie immer wieder die Folgen von politischer Unentschiedenheit austragen mussten. Damit muss Schluss sein. Diese Menschen brauchen endlich eine Perspektive. An den rechten Rand dieses Saals: Sie können hier schreien und Sie können schimpfen, soviel Sie wollen – Sie werden damit nicht verhindern, dass die Demokratinnen und Demokraten des Deutschen Bundestages heute eine respektvolle und eine komplexe Debatte zum Wohle der Menschen in diesem Land führen. Denn dadurch zeigen wir, wozu dieses Parlament in der Lage ist. Bei der Debatte um die Impfpflicht gibt es gute Argumente dafür und dagegen. Es gibt nicht einfach nur richtig und falsch, und es gibt nicht gut und böse. Doch Politik muss auch in einer komplexen Situation bereit sein, schwierige Entscheidungen zu treffen. Und ich will nicht, dass wir im Herbst wieder an der gleichen Stelle stehen und alles noch mal von vorne losgeht. So viele Menschen in diesem Land sind müde, und sie sind mürbe, und sie haben es verdient, dass wir endlich vorausschauend handeln. Deshalb lassen Sie uns gemeinsam für diese Menschen eine allgemeine Impfpflicht ab 18 auf den Weg bringen! Vielen, vielen Dank.