Angesichts dieses Scheiterns der Regierung Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Offene Bundestagsdebatten gelten ja gemeinhin als Sternstunden des Parlaments. Ob diese so eine wird, werden wir vielleicht in anderthalb Stunden wissen. Eines allerdings ist schon jetzt klar: Es ist eine dunkle Stunde der Bundesregierung, weil Sie hier und heute endgültig Ihre Unfähigkeit und Ihren Unwillen offenbaren, dem Parlament einen Vorschlag zum Thema Impfpflicht vorzulegen. Mindestens zwei Dinge sind hierbei auffällig. Erstens hatten Sie offenbar kein Problem damit, die Impfpflicht für medizinisches und Pflegepersonal per Fraktionsantrag durchzusetzen. Alle weiteren möglichen Verpflichtungen halten Sie dann aber für derart sensibel, dass Sie der Meinung sind, sie seien Gewissensfragen. Sind also die Grundrechte von Ärzten und Pflegern weniger wert als die von anderen Menschen? Ich hoffe doch, nicht. Zweitens wurde bislang in diesem Haus immer aus seiner Mitte heraus entschieden, Gruppenanträge zu stellen, etwa zu einer bioethischen Frage. Die Ampel gibt nun erstmals regierungsamtlich vor, wo eine Gewissensentscheidung greift und wo Gruppenanträge zu schreiben sind. Das ist nicht sehr parlamentarisch, meine Damen und Herren. Festzuhalten ist jedenfalls, dass die heutige Debatte ganz offensichtlich deshalb „Orientierungsdebatte“ heißt, weil sich eine orientierungslose Bundesregierung hilfesuchend ans Parlament wendet. Meine Damen und Herren, wir als Union – das ist unser Selbstbewusstsein – helfen gerne. Das setzt aber voraus, dass Sie als Regierung uns das zur Verfügung stellen, worauf von Verfassungs wegen nur eine Regierung Zugriff hat, nämlich Informationen und Expertise aus Ministerien und Behörden. Es ist wirklich unglaublich, wenn die Bundesregierung in einer hochkritischen Phase dieser Pandemie es in über einem Monat nicht schafft, dringende Fragen zu einer Impfpflicht zu beantworten, und dann, wie gestern, ausweichende Halbantworten versucht. Kein Wunder, dass die Bundesregierung zur Impfpflicht keine eigene Position bezieht, wenn sie für sich selbst offenbar gar keine Informationsgrundlage hat, um das tun zu können! Es reicht eben nicht, wenn der Bundeskanzler, wie letzte Woche hier geschehen, seine Privatmeinung zum Besten gibt. Wenn sich die Bundesregierung – und das ist jetzt eine eminent wichtige verfassungsrechtliche Frage – weigert, zu einer der zentralen Fragen in der größten Krise der Nachkriegszeit eine eigene Position zu beziehen, dann ist die Wertung „Flucht aus der Verantwortung“ noch das Freundlichste, was mir dazu einfällt, meine Damen und Herren. Wir weisen einer nach Orientierung suchenden Regierung gerne den Weg beim Thema Impfen. Ja, Impfungen – da sind wir uns hoffentlich größtenteils hier einig – sind der entscheidende Weg aus der Pandemie. Fakt ist aber, dass die Impfquote in Deutschland nach wie vor zu gering ist, um das Ziel dieses Weges zu erreichen. Folgerichtig hat sich die neue Bundesregierung im letzten Jahr ehrgeizige Ziele gesetzt: bis zum Jahresende 30 Millionen Boosterimpfungen, bis zum 7. Januar eine Quote von 80 Prozent bei den Erstimpfungen. Problem ist nur: Sie haben beide Ziele verfehlt. Boosterimpfungen: 25 Millionen; Erstimpfungen: Zieldatum einmal verschoben, jetzt wird es wohl zum zweiten Mal verschoben. Das ist Fakt. Fakten können wehtun; sie sind aber wahr. liegt es doch nahe, an eine Impfpflicht zu denken. Das Ob, Wann und Wie einer solchen Impfpflicht muss aber wohlüberlegt sein. Es ist zwar nur ein kleiner Piks, den wir Menschen zumuten, aber es bleibt ein Grundrechtseingriff. Eine Impfpflicht muss also verfassungsrechtlich und politisch gut begründet sein. Und dabei sind insbesondere drei Punkte zu beachten: Erstens. Welches Ziel verfolgen wir mit ihr? Unser Verfassungsgericht hat jedenfalls festgestellt, dass die Funktionsfähigkeit unseres Gesundheitssystems so wichtig ist, dass der Gesetzgeber handeln darf und soll, um dessen Überlastung zu verhindern. Zweitens muss die Impfpflicht geeignet sein, um im weiteren Verlauf der Epidemie auch einen Unterschied zu machen. Hier brauchen wir also seriöse Prognosen über neue Mutationen und auch über die Fortentwicklung der Impfstoffe – nicht sicheres Wissen, aber jedenfalls seriöse Prognosen auf vernünftiger Daten- und Faktengrundlage. Drittens setzt eine Impfpflicht voraus, dass sie administrierbar, durchsetzbar und notfalls auch sanktionierbar ist. Andernfalls wäre sie rechtlich schwer haltbar und würde gesellschaftlich wohl nicht akzeptiert werden. Und das heißt ganz konkret: Die Bundesregierung muss ihre Blockadehaltung gegen den unverzüglichen Aufbau eines Impfregisters aufgeben. Überwinden Sie Ihre Registerphobie, krempeln Sie die Ärmel hoch, und bauen Sie dieses Register endlich auf! Nicht zuletzt wegen der Zögerlichkeit der letzten Wochen kommt für die aktuelle Omikron-Variante offensichtlich eine Impfpflicht zu spät. Aber natürlich ist nicht auszuschließen, dass wir mit weiteren Coronawellen zu tun haben. Gemeinsam haben wir doch hoffentlich in den letzten beiden Jahren eines gelernt: Nicht nur die aktuelle Situation ist täglich zu meistern, sondern wir brauchen eine vorausschauende und vorsorgende Politik. Deshalb brauchen wir jetzt aus meiner Sicht die Vorlage eines Vorratsgesetzes, das eine allgemeine Impfpflicht eben noch nicht unmittelbar einführen muss, das aber alle Regeln dazu schon einmal vorbereitet und mit dem wir dann eben für die weitere Entwicklung vorbereitet sind. Wir müssen besser vorbereitet sein, wir müssen vorausschauend arbeiten, meine Damen und Herren. In dem Falle kann man, sobald sich die Notwendigkeit und Geeignetheit abzeichnet, sehr schnell per Bundestagsbeschluss eine solche Pflicht scharf schalten. Meine Damen und Herren, aus Vorsorgegründen müssen wir jetzt auch das eben genannte nationale Impfregister aufbauen, um mehr zur Impfsituation zu wissen – das hat noch nichts mit Impfpflicht zu tun –, um Menschen gezielt zum Impfen zu ermutigen – ja! –, aber auch, um auf die Durchsetzung von Impfpflichten jedenfalls vorbereitet zu sein. Ich fordere deshalb die Bundesregierung auf: Finden Sie endlich Ihre Orientierung in dieser Coronakrise! Verlieren Sie keine Zeit mehr beim Aufbau eines Impfregisters! Bereiten Sie ein ordentliches Instrument vor! Und weichen Sie bei Fragen der Opposition nicht länger aus, sondern sorgen Sie endlich dafür, dass das gesamte Haus – auch Sie selber – die notwendige Informationsgrundlage hat! Vielen herzlichen Dank.