Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mir geht es heute nicht vorrangig um die Entscheidung „Impfpflicht, ja oder nein?“. Mir geht es vielmehr darum, wie wir als Gesellschaft weitermachen wollen. Ich habe Menschen getroffen, die sich leidenschaftlich für ihre Mitmenschen einsetzen, Test- und Impfzentren aufgebaut und betreut und Aufklärung betrieben haben. Ich habe natürlich Menschen kennengelernt, die skeptisch waren, die unsicher waren ob dieser neuen Situation, die wir so ja alle noch nie erlebt haben. Ich habe aber natürlich auch Menschen getroffen, die gegen die Existenz oder Gefahr des Coronavirus argumentiert haben. Und ich will ehrlich sein: Es war für mich teils unfassbar, zu sehen, wie bereitwillig Menschen glauben, dass das alles nur eine große Verschwörung ist, als seien die schweren Krankheitsverläufe und vielen Todesopfer nicht Beweis genug, dass Corona eine echte Gefahr für unser Leben ist. Aber eine Sache verbindet uns: Wir sind müde; wir alle wollen unser normales Leben zurück. Und das, meine sehr verehrten Damen und Herren – das ist so einfach wie wahr –, erreichen wir am ehesten durch einen kleinen Piks mit sehr großer Wirkung. Es ist – so sehe zumindest ich das im mittlerweile dritten Jahr der Pandemie – keine persönliche Entscheidung mehr, ob ich mich impfen lasse oder nicht. Es ist mittlerweile doch auch nicht mehr die Frage, ob ich mich mit dem Virus infiziere, sondern vielmehr wann. Ja, mit der Impfung sind wir nicht hundertprozentig vor einer Ansteckung geschützt. Aber mit der Impfung schützen wir uns vor schweren oder tödlichen Krankheitsverläufen. Mit der Impfung schützen wir auch unsere Mitmenschen und leisten zugleich einen großen Beitrag, unser Gesundheitswesen zu schützen. Das ist die Faktenlage, die auch wissenschaftlich untermauert ist. Die Impfstoffe sind mehrfach getestet und weltweit milliardenfach im Einsatz. Ich will nicht behaupten, dass Nebenwirkungen nicht auftreten können. Aber bitte hören wir doch endlich auf, einander weismachen zu wollen, dass die Impfung wahnsinnig gefährlich oder gar tödlich sei. Hunderte geimpfte Kolleginnen und Kollegen hier im Haus und Millionen Geimpfte in diesem Land sind der Gegenbeweis. Wenn hier im Hohen Haus Plakate mit der Aufschrift „Freiheit statt Spaltung“ hochgehalten werden – wir haben das heute wieder gehört –, dann frage ich mich doch allen Ernstes, wer es ist, der hier versucht, Spaltung zu betreiben. Sie sind es doch, die gezielt Falschinformationen streuen und mit falschen Zahlen um sich werfen. Sie sind es, die gezielt Angst schüren und Hetze verbreiten. Sie tragen Verantwortung für dieses Land, das Sie angeblich so sehr lieben. Werden Sie sich dieser endlich bewusst! Ich komme aus Sachsen, einem Bundesland, das seit Beginn der Pandemie knapp 14 000 Todesopfer zu beklagen hat. Immer wieder gerät Sachsen in die Schlagzeilen, zuletzt, weil sogenannte Spaziergänger/-innen aufgerufen hatten, an der Uniklinik in Dresden aufzumarschieren. Ich möchte diesen Moment nutzen, um den Medizinstudentinnen und Medizinstudenten Danke zu sagen, die sich mutig vor ihre Klinik und ihre Patientinnen und Patienten gestellt haben. Danke, für mich seid ihr echte Heldinnen und Helden. Keine Demokratie lebt ohne die Debatte, und deshalb finde ich es richtig, dass wir heute hier zum ersten Mal über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht sprechen. Natürlich ist das keine einfache Entscheidung. Aber ich wünsche mir, dass am Ende dieser Debatte steht, dass wir als Gesellschaft gemeinsam an unseren Herausforderungen wachsen. Jetzt ist es an uns, werte Kolleginnen und Kollegen, für unser Land zu entscheiden, wie wir aus dieser Krise herauskommen wollen. Lassen Sie uns miteinander diskutieren, welchen Weg wir gemeinsam gehen müssen, um schnellstmöglich in ein normaleres Leben zurückzukehren. Dieses Hohe Haus ist genau der richtige Ort, um uns in dieser schwierigen Frage Orientierung zu geben und das Für und Wider abzuwägen. Also lassen Sie uns einander vertrauen. Lassen wir uns darauf vertrauen, dass einerseits der Staat seinen Teil tut und dass andererseits auch wir als Bürgerinnen und Bürger unseren Teil tun, indem wir uns impfen lassen. Die Impfung schützt und ist gelebte Solidarität, und das ist genau das, was dieses Land braucht: eine Solidaritätsspritze. Vielen Dank.