Diese Wissenschaftsfreiheit bringt auch Verantwortung mit sich. Kommen Universitäten dieser Verantwortung nicht vollumfänglich nach, löst dies in Deutschland zu Recht Empörung aus, Empörung, die Sie jedoch für Ihre wissenschaftsfeindliche Politik instrumentalisieren. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei der AfD stellt sich die Frage, ob das ermüdende Wiederholen der Antigenderstereotype aus Unwissenheit, aus Überzeugung oder aus Kalkül erfolgt. Wahrscheinlich ist es eine unglückselige Kombination aus allem. Quer durch Ihre öffentlichen Statements und auch durch den vorliegenden Antrag zieht sich die Behauptung, der biologische Unterschied zwischen Mann und Frau werde in unserem Land geleugnet. Macht man sich die Mühe, Ihre eigenen Quellenangaben zum Antrag zu überprüfen, findet sich hier genau dies jedoch nicht. Vielleicht haben Sie auch deswegen versucht, den Antrag so lange wie möglich zurückzuhalten. Sowohl der Inhalt als auch Ihre Verzögerungstaktik machen es schwer, Sie bei diesem Thema wirklich ernst zu nehmen. Besondere Angst scheinen Sie vor der Vielfalt an Studiengängen zu haben. Dabei ist es nicht der Staat, der über das Lehrangebot der Universitäten entscheidet. Dieser Staat, den Sie so gerne kritisieren, finanziert Wissenschaft, ohne Bedingungen zu stellen, und schafft gerade dadurch Unabhängigkeit. Diese Wissenschaftsfreiheit, die nach Ihren Äußerungen in größter Gefahr ist, gilt weltweit als vorbildlich. Dabei stehen der biologische Unterschied zwischen Mann und Frau und die Existenz von Intersexualität in der Wissenschaft nicht zur Disposition. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Von Geburt an haben alle Menschen ein X- oder ein Y-Chromosom und infolgedessen über 99 Prozent eine klare biologische Geschlechterzuordnung. Doch die Annahme, das biologische Geschlecht lege schon fest, wie jemand zu leben habe, führt in der Gesellschaft zu Diskriminierung und den Einzelnen ins Unglück. Die Erforschung der Zusammenhänge von Geschlechter- und Gesellschaftsordnungen an den Universitäten zeigt das auch wissenschaftlich. Die Komplexität von Biologie, sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität darf nicht geleugnet werden, und genau das macht der Antrag der AfD. Und dabei ist noch nicht mal klar, was Sie eigentlich wollen. Was soll es etwa bedeuten, wenn Sie fordern, dass „traditionelle Geschlechterrollen“ nicht mehr infrage gestellt werden sollen? Auf welche Traditionen berufen Sie sich? Widersprechen schon basketball- oder fußballspielende Frauen Ihrer traditionellen Geschlechterrolle? Sollten sich Frauen in der Tradition der russischen Zarin Katharina, der japanischen Herrscherin Himiko, der deutschen Kanzlerin Merkel oder doch lieber einer Gefährtin von Arminius im Teutoburger Wald sehen? Ich befürchte, dass ich Ihre Antwort bereits kenne. Ist es wirklich so, dass Unterschiede bei den Geschlechtern in Deutschland staatlich verordnet aufgehoben werden, wie Sie behaupten? Werden Erziehungsrechte, Werte und Vorstellungen von Eltern in Deutschland wirklich missachtet, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben? Welches Vertrauen haben Sie in Lehrer und Schüler, wenn schon die Information über sexuelle Diversität als schädlich für die gesunde Entwicklung zurückgewiesen wird? Ist es nicht vielmehr so, dass Sie bedauerliche, wenn auch ernstzunehmende Einzelfälle zu einem Versagen des Systems hochstilisieren, weil Ihnen die politische und pädagogische Umsetzung der Geschlechtergerechtigkeit zuwiderläuft? Auf die Art und Weise, wie Sie die Geschlechterdebatte führen, konstruieren Sie Bedrohungen und Feindbilder. Und leider erleichtert die Ampelregierung es Ihnen mit ihren fragwürdigen Ideen für ein Selbstbestimmungsgesetz, solche falschen Geschichten zu erzählen. Unsere Politik beruht auf christlichen Werten. Sie ist inklusiv, gegen eine Instrumentalisierung des Menschen und für seine freie Entfaltung. Die Union hat keine Angst vor Veränderungen der Gesellschaft. Auch das unterscheidet uns echte Konservative von Ewiggestrigen wie Ihnen. Denn konservativ sein, heißt nicht, einen Status quo zu zementieren und andere auszugrenzen. Ziel von uns Konservativen ist die konstante Verbesserung des Bestehenden und die Anpassung der sich wandelnden Umstände an die Bedürfnisse der Gesellschaft. Wir vertrauen auf die Wissenschaft und bekämpfen sie nicht. Die wird bestimmt ganz hervorragend. – Natürlich. Wissen Sie, was, glaube ich, Sie nicht verstehen? Ich bin unter anderem Vater von zwei Töchtern. Wenn ich Ihren Antrag, dieses krude Geschreibsel, was Sie da zusammengetragen haben, durchlese, werde ich einfach, muss ich sagen, nur noch stinksauer, weil ich als Vater von zwei Töchtern will, dass meine Töchter ihren Weg gehen können. Und es ist völlig egal, ob sie Astronautin werden wollen, ob sie mal Rennfahrerin werden wollen, welchen Weg sie in dieser Gesellschaft gehen. Das ist für mich eine völlig freie Wahl meiner Töchter. Was Sie hier reinschreiben, ist schlicht und ergreifend frauenfeindlich, und wir werden das an dieser Stelle nicht akzeptieren. – Offenbar kommen wir miteinander nicht auf einen grünen Zweig. Abschließend, werte Kolleginnen und Kollegen: Wir können im Gegensatz zu Ihnen und leider auch so manchem linken Ideologen zwischen Biologie, Soziologie und Psychologie unterscheiden, ohne eines davon zu negieren. Konservativ sein, heißt Widerstand gegen jeden Radikalismus von links wie von rechts. Und sehr geehrte Abgeordnete der AfD-Fraktion, nicht unsere Lehrer und Wissenschaftler sind eine Gefahr für die Gesellschaft, sondern Sie mit Ihrer spalterischen Politik. Vielen Dank.