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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn eine Vorabbemerkung machen: In dieser Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages haben drei Vertreter der Bundesregierung für insgesamt 27 Minuten das Wort ergriffen. Jede Fraktion muss für sich entscheiden, ob sie das richtig und gut findet. Ich finde es komisch, dass hier immer alle drei Regierungsfraktionen sprechen müssen.
Und ich hätte mir gewünscht, dass man, wenn man 27 Minuten Redezeit zur Verfügung hat, ein bisschen mehr sagt als das, was wir schon wissen. Das hat mich ein wenig enttäuscht.
Beifall bei der CDU/CSU und der AfD
Hätten sie sich nicht geäußert, wäre das auch ein Problem gewesen!
Das ist der Debatte unwürdig!)
Ich finde es, wie alle hier im Saal, völlig unerträglich, was wir in den letzten Tagen auf Deutschlands Straßen erlebt haben. Damit meine ich nicht nur Antisemitismus, Antizionismus, sondern auch eine Art des Umgangs mit Tod und Gewalt, der unserer Kultur nicht entspricht. Wenn in Deutschland ein Soldat oder ein Polizist gezwungen ist, einen Menschen zu töten, weil er den unmittelbaren Zwang anwenden muss, dann bedarf er psychologischer Betreuung, und er hat sein ganzes Leben lang daran zu tragen, dass er einen anderen Menschen aus gerechtfertigten Gründen umbringen musste. Kein Mensch unseres Kulturkreises würde auf die Straße gehen und Zückerchen verteilen, weil andere Menschen gestorben sind, selbst wenn man sie als Feinde oder als Gegner betrachtet. Wenn es um die Frage geht, was Leben wert ist, was auch das Leben – in Anführungszeichen – des „Feindes“ wert ist, zeigt sich ein tiefer Riss, der durch unsere Gesellschaft geht,
und es offenbart sich eine Lücke, die ich so groß nicht erwartet hatte und die uns vor noch größere Aufgaben stellt, als wir bisher erfasst haben.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Es gab in Deutschland schon Antisemitismus, lange bevor eine große Zahl von Flüchtlingen aus der islamischen Welt zu uns kam. Alt-Nazis hatten ihren Weg in die Gesellschaft der neuen Bundesrepublik Deutschland und auch in die Parteien gefunden. Es gibt linken Antisemitismus und Antizionismus; ich erinnere mich an Frau Inge Höger, die als damalige Linken-Bundestagsabgeordnete mit einem T-Shirt durch Wuppertal lief, auf dem die Landkarte des Nahen Ostens ohne Israel abgebildet war.
Es war ein weiter Weg für die Linke-Fraktion zu der Rede von Frau Pau heute, die gänzlich anders klingt als das, was wir damals erleben mussten. Die Linke-Fraktion hat am vergangenen Donnerstag auch unserem Entschließungsantrag zugestimmt.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Es gibt weiterhin rechten Antisemitismus in Deutschland, der von politischen Kräften repräsentiert wird. Und es gibt natürlich Antisemitismus, der durch die Zuwanderung von Menschen aus der islamischen Welt zu uns gekommen ist. Dagegen hilft auch nicht das Aufbauen einer Brandmauer.
Ich finde den Begriff der Brandmauer mit Blick auf Antisemitismus ebenso falsch wie mit Blick auf Rechtsradikalismus. Brandmauer bedeutet Abschottung. Das Biotop auf der anderen Seite der Brandmauer kann sich ungehindert weiterverbreiten. Wir brauchen – diejenigen, die Physik in der Schule hatten: aufgepasst! – eine semipermeable Membran, also eine Schicht, die es ermöglicht, dass Menschen aus dem extremen Feld zurück in die Mitte kommen, eine Membran, durch die der Austausch von Argumenten möglich ist, die aber verhindert, dass Menschen aus dem demokratischen Zentrum in die Radikalität abwandern. Deswegen müssen wir uns mit den Ursachen für Antisemitismus wie mit den Ursachen für Rechtsextremismus viel intensiver und offener auseinandersetzen, als wir das bisher tun, auch mit den Themen, die die Menschen belasten, oder auch mit der Unwissenheit, die dort herrscht und manche leitet.
Wir müssen in der Bildungsarbeit viel mehr tun. Aber wir müssen auch ein klares Bekenntnis von denjenigen einfordern, die bei uns Bildungsarbeit leisten, die in Kirchen und Religionsgemeinschaften zum Beispiel der islamischen Welt arbeiten. Ich finde es gut, dass DITIB in Deutschland dieses, wie ich finde, israelfeindliche Gebet, das für vergangenen Freitag in den Moscheen vorgesehen war, nicht gutgeheißen hat und gesagt hat: Das predigen wir hier nicht. – Der Vorschlag für dieses Gebet kam von der türkischen Religionsbehörde, die meines Erachtens einen zu großen Einfluss auf deutsche islamische Religionsgemeinschaften in Deutschland ausübt.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD])
Ich möchte zum Schluss noch sagen, dass ich auch diese feinsinnige Unterscheidung „Das ist ja nur gegen Israel gerichtet und nicht gegen die Juden“ nicht akzeptieren kann. 2014 gab es in Wuppertal einen Brandanschlag auf die Synagoge. Die jungen Männer sind davongekommen, weil der Richter der Meinung war, der Anschlag sei ja nur gegen Israel gerichtet und nicht eindeutig antisemitisch gewesen. Wie kann denn eigentlich ein Brandanschlag auf ein deutsches jüdisches Gotteshaus als Symbol des Kampfes gegen Israel verstanden werden, wenn doch diese Juden in Deutschland im Zweifel mit Israel gar nichts zu tun haben? Das ist eine feinsinnige Unterscheidung, die ich nicht nachvollziehen kann. Wer in Deutschland gegen Israel ist und Israel bekämpft, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, damit auch antisemitisch zu sein. In diesem Sinne möchte ich meinen Redebeitrag beenden.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Sonja Eichwede [SPD] und Dr. Bernd Baumann [AfD])
Für Bündnis 90/Die Grünen hat nun das Wort Marlene Schönberger.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)