Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Werte Zuschauende! Ich komme direkt aus einem Gespräch mit dem Kompetenznetz Antisemitismus, kurz: KOMPAS. Es besteht aus fünf erfahrenen Trägern der Antisemitismusprävention. Seit dem 7. Oktober, dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel, können sie sich vor Anfragen nicht mehr retten. Schockierte Menschen rufen an: Jüdinnen und Juden suchen psychologische Betreuung, Lehrer/-innen Unterstützung, um aufgeregte Diskussionen in Klassenzimmern zu moderieren. Es ist schwer, sachliche Diskussionen zu führen, wenn die Bilder so furchtbar und so dramatisch sind und viele eine emotionale Beziehung zum Ort des Geschehens haben, und das haben viele Menschen in Deutschland. Ich weiß nicht, wie viele Abgeordnete hier im Deutschen Bundestag von der Erkenntnis politisiert wurden, dass Deutschland für die Shoah verantwortlich ist – die Shoah, die in Konsequenz zur Gründung des Staates Israel geführt hat. Ich bin eine dieser Abgeordneten. Deshalb ist für mich klar: Das Existenzrecht Israels ist durch nichts zu relativieren. Die Solidarität mit Israel, sie ist historische Verpflichtung, und sie ist Teil unserer Staatsräson. Deshalb ist es richtig, dass die Außenministerin Annalena Baerbock und Bundeskanzler Olaf Scholz unmittelbar, auch vor Ort, gezeigt haben, dass sie Israels Recht auf Selbstverteidigung unterstützen. Deshalb ist es auch richtig, dass es verboten ist, Symbole der Terrororganisation Hamas zu zeigen und ihre Untaten damit zu feiern. Das ist nach deutschem Recht eine Straftat, und das muss entsprechend durchgesetzt werden. Deswegen ist es insgesamt so wichtig, dass wir das klare Signal senden: Wir stehen auch an der Seite der Jüdinnen und Juden in Deutschland. Wir tun alles, was wir können, für ihre Sicherheit. Wir fühlen mit denjenigen, die Angehörige verloren haben. Die Bundesregierung wird auch alles Mögliche tun, damit verschleppte Angehörige wieder freikommen. Ich bin froh, dass wir exzellente Expertinnen und Experten für Antisemitismusprävention haben; denn die aktuelle Situation zeigt, wie wichtig das ist. Im Rahmen unseres Bundesprogramms „Demokratie leben!“ fördern wir seit 2020 KOMPAS, das Kompetenznetzwerk gegen Antisemitismus. Es stellt fachliche Beratung bereit, und es transferiert erfolgreiche Präventionsansätze in kommunale Strukturen; denn antisemitische und israelfeindliche Einstellungen nehmen in Deutschland zu. Und es gibt nicht nur den einen Antisemitismus. Es gibt Verschwörungsdenken mit kapitalismus- oder impfkritischer Ummäntelung, es gibt israelbezogenen Antisemitismus, es gibt tradierte Negativbilder von den Juden oder die Verleugnung der nationalsozialistischen Judenverfolgung. Tätliche Übergriffe auf Jüdinnen und Juden werden häufiger. Auch Fachkräfte der Jugend- und Bildungsarbeit sind in ihrer täglichen Arbeit zunehmend mit verschiedenen Formen von Antisemitismus konfrontiert. Häufig hört man gerade in diesen Tagen die These, der Anstieg des Antisemitismus sei importiert, die Folge von Zuwanderung aus größtenteils muslimischen Ländern, in denen Antisemitismus weit verbreitet sei. Der Sachverständigenrat für Integration und Migration kam im Jahr 2022 zu dem Schluss, dass insbesondere der israelbezogene Antisemitismus, ja, unter Menschen mit Migrationsgeschichte stärker verbreitet ist, und hier insbesondere bei türkischstämmigen und arabischstämmigen Menschen. Es ist allerdings ein Irrglaube, Antisemitismus gebe es nur in migrantischen Communitys. Die Mitte-Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigen deutlich, dass israelbezogener Antisemitismus in vielen gesellschaftlichen Gruppen weit verbreitet ist. Es ist wirklich schwer auszuhalten. – Ich sage ja nur: Es ist schwer auszuhalten. Jetzt diese Rufe aus Ihren Ecken. Wir wissen ja – wir mussten mehrmals Zeuge sein –, dass ein Herr Gauland die Geschichte einen „Vogelschiss“ genannt hat. Ich könnte jetzt zig weitere Beispiele nennen. Von daher wäre in diesen Zeiten etwas mehr Ruhe auf der rechten Seite hier in diesem Hause wirklich gut. Prävention gegen Antisemitismus ist wichtig. Deshalb gibt es das Programm „Demokratie leben!“. Im Rahmen des Programms „Demokratie leben!“ werden in allen 16 Bundesländern Landesdemokratiezentren gefördert, die die Beratung von Betroffenen rassistischer und antisemitischer Gewalt unterstützen. Es gibt 350 lokale Partnerschaften für Demokratie. Erstmals hat die Bundesregierung im November 2022 eine Nationale Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben vorgelegt. Etwa ein Drittel unserer Modellprojekte adressieren Fragen des jüdisch-muslimischen Dialogs. Das Projekt „Sichtbar handeln!“ bietet Fachkräften in Jugend- und Bildungsarbeit ein Lern- und Diskursangebot zum Wirken gegen Antisemitismus und Israelfeindschaft. Dieses Programm stößt auf sehr großes Interesse. Die Bundeszentrale für politische Bildung vermittelt Medienkompetenz, um Verschwörungserzählungen zu entlarven und Gegenargumente zu trainieren. Bundesinnenministerin Nancy Faeser und der Vorsitzende der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem haben gerade eine Kooperationserklärung zur Fortbildung der Bundespolizei und des Bundeskriminalamtes unterzeichnet. Im Rahmen des Bundesprogramms „Jugend erinnert“ fördert mein Haus Fahrten von Jugendgruppen an Stätten der NS-Massenvernichtung und den deutsch-israelischen Jugendaustausch. Werte Kolleginnen und Kollegen, aus Gesprächen mit Praktikerinnen und Praktikern weiß ich: Gerade durch empathische Gespräche mit biografischen Bezügen gelingt es häufig, Feindbilder aufzubrechen. Deswegen brauchen wir mehr von diesen Programmen und nicht weniger. Deshalb: Lassen Sie uns auch ganz praktische Schlüsse aus der Solidarität mit Israel und dem wachsenden Antisemitismus ziehen. Ein wichtiger weiterer Baustein wäre die Verabschiedung des Demokratiefördergesetzes in diesem Haus.