Liebe Frau Präsidentin! Erst mal: Liebe Kollegin Heselhaus, alles Gute zum Geburtstag! Wir haben jetzt wieder mal Nacht, und damit ist auch wieder Zeit für die stille Erotik des deutschen Steuerrechts. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir beraten hier heute den Gesetzentwurf zur Neuregelung beschränkter und unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen. Worum geht es? In Deutschland besteht an einer sachgerechten Steuerberatung ein besonderes öffentliches Interesse. Steuerberater nehmen zwar einerseits die Belange der Mandanten wahr, aber andererseits haben sie auch eine Vertrauensstellung gegenüber Finanzbehörden und Finanzgerichten. Daher liegt es auch im Interesse der Allgemeinheit, dass Personen, die nicht über die erforderlichen Qualifikationen, Erfahrungen und Eignungen verfügen, von der Hilfeleistung in Steuersachen ausgeschlossen sind. Die Zulässigkeit der Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit gegenüber Artikel 12 Grundgesetz haben die Gerichte mehrfach bestätigt. Die Befugnis zur unbeschränkten Hilfeleistung ist an bestimmte Personengruppen geknüpft, zum Beispiel Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer. Es gibt aber auch die Befugnis zur beschränkten Hilfeleistung, geregelt im Steuerberatungsgesetz, zum Beispiel für ausländische Steuerberater nach § 3a Steuerberatungsgesetz. Daneben gibt es bislang in § 4 Steuerberatungsgesetz eine abschließende Aufzählung eines Personenkreises, und genau um diesen Personenkreis geht es. Die Europäische Union hat genau an dieser bisherigen Systematik Kritik geäußert und ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Grund für dieses Verfahren ist § 4 Steuerberatungsgesetz, Befugnis zu beschränkter Hilfeleistung in Steuersachen. Die Kommission bemängelt eben, dass die abschließenden Ausnahmetatbestände für beschränkte Hilfeleistung in Steuersachen nicht mehr zeitgemäß sind. Deswegen hat die Bundesregierung hier einen Gesetzentwurf mit 94 Seiten eingebracht, eine Vielzahl von Veränderungen in diesem § 4 Steuerberatungsgesetz vorgenommen und ihn grundsätzlich systematisch neu geordnet. Geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen darf danach im Zusammenhang mit anderen Tätigkeiten vorgenommen werden, wenn es eine Nebenleistung zu dem Berufsbild oder zu dem Tätigkeitsbild desjenigen ist, der berät. Kurz gesagt: Die Nebenleistung darf gegenüber der Hauptleistung nicht überwiegen. Wir begrüßen den Gesetzentwurf der Bundesregierung grundsätzlich, gerade weil sie auch einige Dinge aus dem Referentenentwurf noch mit aufgenommen hat, zum Beispiel die beschränkte Hilfeleistung für Vereine der Land- und Forstwirtschaft und andere Dinge. Aber natürlich gibt es auch einige Punkte, über die wir noch reden müssen; denn es geht ja auch darum, unrechtmäßige Steuergestaltungen oder fehlerhafte Beratungen zu vermeiden, wenn es um die Besteuerung von Steuerpflichtigen geht. Deswegen muss zu jeder Zeit klar sein, wer die Verantwortung für die Beratung trägt, wer diese ordnungsgemäß erbracht hat und wer im Schadensfall die Haftung übernimmt. Wenn man diese Leitplanken setzt und sich dann den vorliegenden Gesetzentwurf ansieht, dann erkennt man drei Punkte, über die wir, glaube ich, noch mal miteinander reden müssen: Erstens: die sogenannten Tax Law Clinics. Was ist das? Das ist eine unentgeltliche studentische Steuerberatung an Universitäten, die in Analogie zu § 6 Rechtsdienstleistungsgesetz vorgenommen werden kann. Grundsätzlich ist das in Ordnung, weil man junge Menschen an das Berufsbild des Steuerberaters heranführt. Aber es ist keine laufende Begleitung oder Beaufsichtigung von fachlich qualifizierten Personen vorgesehen und auch kein Abschluss einer entsprechenden Berufshaftpflichtversicherung. Deswegen müssen wir über die Berufshaftpflichtversicherung diskutieren oder alternativ darüber, dass darauf hingewiesen wird, dass die Haftung ausgeschlossen wird. Wir müssen über die Art und den Umfang dieser Hilfsdienstleistungen und der Befugnisse diskutieren. Und wir müssen darüber diskutieren, wie ein Begleitprozess für diese jungen Leute an den Universitäten stattfinden kann und wie qualifiziertes Personal sie anleitetet, überwacht und laufend begleitet, sodass die Beratung ordnungsgemäß erfolgen kann. Grundsätzlich ist das, wie gesagt, positiv, weil wir junge Leute an den Beruf heranführen, aber wir müssen schon die Leitplanken Haftung, Verantwortung und Beaufsichtigung mitdiskutieren. Zweitens. Es gibt bei der Neuregelung eine Erweiterung bei unentgeltlichen beschränkten Hilfeleistungen in Steuersachen, sodass man nicht nur Angehörige, sondern auch Nachbarn unentgeltlich beraten kann. Bisher war der Kreis auf Familienangehörige nach § 15 Abgabenordnung beschränkt und wird nun erweitert. Damit wäre ich beim dritten Punkt meiner Kritik. Dass man Finanzbeamte und Beschäftigte von Bundes- und Landesfinanzbehörden miteinbezieht, halten wir für falsch. Der Punkt ist, dass eben keine Berufshaftpflichtversicherung, keine Verantwortlichkeit für Mängel in der Steuerberatung oder für entsprechende Haftungsfälle besteht. Deswegen muss man darüber noch einmal kritisch diskutieren. Wir erwarten eine Diskussion über genau diese drei Punkte: Wie geht das mit der Haftung? Wie können wir eine ordnungsgemäße Beratung sicherstellen? Und: Wie schaffen wir es am Ende, das Vertragsverletzungsverfahren insbesondere im Hinblick auf § 4 Steuerberatungsgesetz zu Ende zu führen, sodass die berufliche Qualifikation wieder im Vordergrund steht und die Steuerberatung von Profis übernommen wird? Das ist die Diskussion. Deswegen freuen wir uns auf die Beratungen. Herzlichen Dank.