Das nenne ich „bigott“; das nenne ich „scheinheilig“. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man einigen Ausführungen der Union lauscht, fühlt man sich wieder erinnert an die Aussage eines ehemaligen Innenministers, die Migration sei – Zitat – „die Mutter aller Probleme“. Das ist immer noch falsch. Das ist klar, wenn wir ganz ehrlich sind und das mal nüchtern betrachten. Ebenso ist falsch, dass jeden Tag einen neuen Vorschlag zur Reduzierung irregulärer Migration zu machen die Lösung aller Probleme ist. Also: ein bisschen Ernüchterung, ein bisschen mehr Sachlichkeit. Zu dieser Sachlichkeit gehört dann auch, dass das Rechtsinstitut der sicheren Herkunftsstaaten, dass dieser Gesetzentwurf, der ja im Übrigen ein Kabinettsbeschluss ist, ein Baustein eines ganzheitlichen Ansatzes von Migrationspolitik ist. Das ist ein signifikanter Unterschied zu der Vergangenheit unter Unionsinnenministern. Wir sehen das im Zusammenhang mit Migrationsabkommen, die nicht nur, aber auch Rückführungen regulieren und abstimmen, sondern auch legale Einwanderungswege ermöglichen, die Zusammenarbeit und Kooperation von Ländern bei der Ausstellung von Papieren, Laissez-passer und weiteren Papieren, die also beides zusammendenken: Steuerung und Entkopplung von Wegen. Das ist der Unterschied. Uns geht es nicht nur um sichere Herkunftsstaaten, ideologisch besetzt per se. Darauf kommt es an. So könnten Sie Ihre Argumentation viel besser begründen, was Sie aber nicht getan haben. Es ist ja nicht sinnvoll – da sollten wir uns einig sein –, Menschen dauerhaft in Aussicht zu stellen, sie könnten, wenn sie im Regelfall keine Chance haben, durch das Asylsystem doch irgendwie hierbleiben, anstatt ihnen klarzumachen, dass das nicht der Weg ist, es aber durchaus, natürlich begrenzt, andere Wege gibt. Das halte ich in der Tat für einen ethisch-moralisch verantwortbaren und ganzheitlichen Ansatz. Für diesen Ansatz stehen wir, und das ist ein Unterschied zu Ihnen. Ein zweiter Unterschied ist, dass Sie in einem blitzschlagartigen Akt der Eingebung plötzlich Ihre eigenen Prinzipien verraten. Im Innenausschuss betonen Sie jetzt immer, wir müssten uns Zeit nehmen, man müsse das Parlament ernst nehmen, nicht die Eilbedürftigkeit. Noch in dieser Woche haben Sie das gemacht. Aber bei diesem Thema wollen Sie einen sofortigen Beschluss herbeiführen, weil es ja so dringlich sei. Bei einem anderen Thema, das Ihr Kollege als besonders dringlich und wichtig begriffen hat, haben Sie genau gegenteilig argumentiert. Im Übrigen gibt es Beschlüsse bzw. Vorgaben, Vereinbarungen von Gipfeln und der MPK. Wir sind aber ein selbstbewusstes Parlament. Dieses Parlament nimmt dieses Thema und auch das Bundesverfassungsgerichtsurteil ernst, wird ausreichend intensiv beraten, voraussichtlich mit Anhörungen, und am Ende beschließen. Das nenne ich einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Thema. Wir wollen keine taktischen Spielchen. Mit dem Thema Migration spielt man nicht. Damit geht man verantwortungsbewusst um. Im Übrigen ist es doch so – das wissen Sie genau –, dass Sie uns einerseits Vorwürfe machen und blockieren, beispielsweise beim Chancen-Aufenthaltsrecht, das man auch in diesem Gesamtpaket sehen muss, dass Sie also einerseits einen Aufstand machen, aber andererseits Ihre eigenen Ministerpräsidenten, zum Beispiel Herr Wüst, an unsere Tür geklopft und gesagt haben: Bitte macht das schnell! Das ist sinnvoll. Wir brauchen das. – Das ist doch wirklich unehrlich, und Sie wissen das. Sie wissen, dass nicht wenige in Ihren eigenen Reihen das genauso sehen, aber verschweigen das an dieser Stelle. Um auch auf die andere Perspektive einzugehen: Ich bin der Meinung, dass wir Bedenken ernst nehmen sollten; das wurde angesprochen. Das ist auch ein Unterschied, den wir machen. Wir verherrlichen dieses Rechtsinstitut nicht. Wir sehen die Bedenken. Wir müssen das aber differenziert sehen. In Österreich zum Beispiel gab es im letzten Jahr viel weniger Antragstellungen, aber deutlich mehr Anerkennungen. In Österreich sind Georgien und Moldau aber schon sichere Herkunftsstaaten, hier nicht. Das heißt, der Automatismus „sicherer Herkunftsstaat – kein Schutz für Schutzbedürftige“ ist schlicht falsch und von der Realität widerlegt. Ich komme zum Schluss. Wir brauchen keine taktischen Manöver. Wenn man das Thema ernst nimmt – und Sie haben vorgegeben, es ernst zu nehmen –, dann freut man sich auf das parlamentarische Verfahren, bestellt entsprechende Sachverständige und diskutiert mit. Tun Sie das, und stellen Sie diesen Antrag zur sofortigen Abstimmung nicht, um sich selbst und Ihren Prinzipien treu zu bleiben! Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt. Er steht im Gesamtpaket für Humanität, Pragmatismus und Ordnung. Wir sind aufgefordert, ihn gemeinsam durchzubringen. Da gibt es keine Arbeitsteilung; wir tragen alles gemeinsam, Verschärfungen und Liberalisierungen, – – für ein vernünftiges, menschenwürdiges Gesamtkonzept. Vielen Dank.