Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten auf einer Krankenhausstation für sehr kleine Frühchen. Stellen Sie sich vor, Sie haben während der Coronazeit um das Leben der Kleinsten gekämpft. Stellen Sie sich vor, Sie sind für diese Versorgung das einzige medizinische Angebot im Umkreis von über 100 Kilometern. Stellen Sie sich vor, Sie werden dann plötzlich mit der Entscheidung konfrontiert, dass Ihre Station schließen muss aufgrund einer gesetzlichen Regelung, die explizit mit dem Versprechen eingeführt worden ist, den ländlichen Raum zu berücksichtigen. Ihre Station muss schließen, obwohl die eigene Landesregierung eine Fortsetzung der Arbeit auf der Station will und obwohl die Daten beweisen, dass Sie genauso qualitativ arbeiten wie größere Stationen. Ihre Station muss schließen, weil die Krankenkassen per Gesetz ein Vetorecht besitzen und damit über die gesundheitliche Versorgung im ländlichen Raum entscheiden. Aber Ihre ganze Region will das nicht akzeptieren. Sie führen deshalb Gespräche mit Politikern, laden die Krankenkassen ins Klinikum ein, ohne eine Antwort zu erhalten. Sie organisieren Mahnwachen, Demonstrationen, aber Sie kommen nicht weiter. Dann ergreifen Sie eine letzte Chance: eine öffentliche Petition an den Deutschen Bundestag. Und tatsächlich, kurz vor Weihnachten, schaffen Sie es, und über 119 000 Menschen unterstützen Ihr Anliegen. Ihre einzige Hoffnung ist jetzt der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages. Dann gelingt es tatsächlich: Der gesamte Petitionsausschuss schließt sich Ihrer Forderung mit dem höchsten Votum an. Das Ganze haben Renate Krajewski und ihre Mitstreiter und Mitstreiterinnen erreicht, die heute auf der Tribüne sitzen und uns im Livestream folgen. Renate Krajewski ist Vorsitzende der Mitarbeitervertretung des Klinikums in Neubrandenburg und Krankenschwester aus Leidenschaft. Das Bonhoeffer-Klinikum hat seit Beginn des Jahres ein Behandlungsverbot erhalten, weil das dortige Perinatalzentrum Level 1 die vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegte Mindestzahl von 25 Behandlungen von Extremfrühchen pro Jahr nicht erreicht. Trotz Antrag auf Sondergenehmigung durch die Landesregierung haben die Krankenkassen eine Fortsetzung der Behandlung untersagt. Tausende Menschen in Mecklenburg-Vorpommern haben die Petition unterschrieben, weil sie eine zentrale Frage stellt: Wer entscheidet über die Absicherung einer flächendeckenden und qualitativ guten medizinischen Versorgung im ländlichen Raum? Seitdem die Station in Neubrandenburg geschlossen wurde, müssen die werdenden Mütter entweder nach Greifswald oder nach Berlin fahren. Kein Perinatalzentrum Level 1 zwischen Ostsee und Berlin: Das heißt deutlich längere Fahrzeiten und deutlich mehr Verunsicherung. Stellen Sie sich vor, Sie müssen sich in der Ausnahmesituation einer Frühchengeburt auch noch darum kümmern, wie Sie die Fahrzeit von ein bis zwei Stunden meistern. Die Schließung von Perinatalzentren ist kein Problem, das nur Neubrandenburg betrifft. Deutschlandweit erreichen im nächsten Jahr 31 Kliniken die Mindestfallzahl nicht. Deshalb ist die Petition von Renate Krajewski so wichtig. Stellvertretend für viele Regionen lenkt sie den Scheinwerfer auf ein gewaltiges Problem. Ich bin sehr stolz, dass der Petitionsausschuss einstimmig das höchste Votum für diese Petition vorschlägt und möchte mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen dafür bedanken. Es liegt nun an uns als Politik, für dieses Problem eine Lösung zu finden. Wir sind das den Eltern und vor allem den Extremfrühchen im ländlichen Raum schuldig. Danke schön.