Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der angespannten Migrationslage braucht unser Land eine Bundesregierung, die die Realität erkennt und die politische Verantwortung übernimmt. Es ist Ausdruck politischer Verantwortung, dass Deutschland weiter an einem neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystem mitarbeiten wird und dass Deutschland die Krisenverordnung im Ministerrat eben nicht blockieren wird, liebe Kolleginnen und Kollegen. Denn alle von uns, die im Land unterwegs sind und die mit Bürgermeistern, mit Landräten, mit Menschen sprechen, die sich um die Versorgung von Flüchtlingen in diesem Land kümmern, führen einen Satz auf den Lippen, der in den Ohren von vielen Menschen, die tagtäglich mit Flüchtlingen arbeiten und mit dem Thema zu tun haben, schon fast wie Heuchelei klingt. Dieser Satz ist: Wir brauchen eine europäische Lösung. – Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich diesen Satz in verschiedenen Diskussionen schon gehört habe: Ja, wir werden eines Tages das Problem in den Griff bekommen, weil wir dann ja eine europäische Lösung haben. Es ist genau dieser Ausdruck ritualisierter Debatten, die Art und Weise, bestimmte Sätze einfach dahinzusagen, Lösungen in den Raum zu stellen, es dann aber nicht zu machen, was dazu führt, dass die Frustration und die Enttäuschung auch mit Blick auf das Thema Migration in unserer Gesellschaft wachsen. Deswegen muss jetzt eine gemeinsame europäische Asylpolitik kommen. Und es ist gut, dass die Bundesregierung das auf den Weg bringt. Es gibt übrigens, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch viele andere Bereiche in der Migrationspolitik, wo wir auch ritualisierte Debatten führen. Man reibt sich mitunter die Augen, weil hier seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten immer wieder die gleichen Themen angesprochen werden, in der Realität dann aber nichts passiert und die Kommunen auch nicht merken, dass es tatsächlich zu einer Entlastung kommt. Wenn, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wir uns einig sind, dass die Auszahlung von Bargeld an Asylbewerber dazu führt, dass die falschen Anreize gesetzt werden, dann wenden Sie bitte das geltende Asylbewerberleistungsgesetz an, und setzen Sie auf Sachleistungen. 8 von 16 Innenministern werden von der Union gestellt, und ich habe kein Verständnis dafür, warum die das geltende Recht nicht einfach anwenden. Und wenn die Kommunen sagen, dass Sachleistungen im Einzelfall schwierig zu organisieren sind, dann müssen wir das ernst nehmen. Dann gibt es aber mit Bezahlkarten immer noch ein anderes System, auf das man setzen kann und das interessanterweise den großen Vorteil hat, dass man damit auch Überweisungen in die Herkunftsländer unterbinden kann. Denn die Menschen in Deutschland verstehen nicht, dass eine Leistung, die dafür gedacht ist, während des Asylverfahrens ein menschenwürdiges Leben zu garantieren – es ist richtig, dass es das gibt –, in die Herkunftsländer transferiert wird. Die Verfahren müssen kürzer werden, und es darf nicht mehr möglich sein, Asylbewerberleistungen in die Herkunftsländer zu überweisen. Und es ist gut, dass der Bundesfinanzminister ein entsprechendes Verbot und auch die technischen Voraussetzungen auf den Weg bringt. Die Menschen verstehen nicht, dass solche Leistungen in die Heimatländer überwiesen werden. Und die Menschen haben auch ein Problem damit, wenn vollziehbar Ausreisepflichtige in Deutschland dauerhaft staatliche Leistungen erhalten. Wir reden über eine Zahl von 300 000 Menschen insgesamt, von denen ein sehr großer Teil geduldet ist. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt eben auch Menschen, die sind nicht geduldet, reisen trotzdem nicht aus und erhalten staatliche Leistungen. Das macht viele Menschen wütend. Und deswegen bin ich dafür, dass wir umsetzen, was im Koalitionsvertrag steht, nämlich die freiwillige Rückkehr zu stärken, endlich eine Rückkehrberatung einzuführen und daran zu arbeiten, dass Menschen, die einen negativen Asylbescheid bekommen, im Regelfall in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Das muss die Regel sein. Die Menschen haben kein Verständnis dafür, dass das in vielen Fällen so nicht passiert, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und was die Menschen auch nicht verstehen, ist – und das ist auch so eine ritualisierte Debatte –, dass dauerhaft Menschen nach Deutschland kommen, bei denen von vornherein klar ist, dass sie kein Bleiberecht haben. Wir haben eben darüber gesprochen, dass unser Land auch deswegen ein funktionierendes Asylsystem braucht, weil wir Menschen helfen wollen, die tatsächlich unseren Schutz brauchen. Das ist richtig. Wenn aber dauerhaft Menschen kommen, bei denen wir von vornherein sagen können, dass die Prognose, zu bleiben, negativ ist, dann setzen wir die Akzeptanz für das Asylrecht insgesamt aufs Spiel. Und deswegen ist es auch hier richtig, dass wir endlich umsetzen, was im Koalitionsvertrag steht, nämlich zu prüfen, wie Asylbegehren auch in Drittstaaten behandelt werden können. Das sollten wir auf den Weg bringen und uns nicht weiter in ritualisierten Debatten ergehen. Und zum Schluss will ich gerne etwas zu Ihnen sagen, liebe Frau Bünger, weil Sie hier gerade ganz vehement vorgetragen haben, wie schrecklich doch die EU-Türkei-Erklärung von 2016 gewesen ist. Was wäre denn die Alternative gewesen? Was ist denn heute die Alternative? Was ist denn an der Balkanroute so toll? Was ist denn so human daran, Menschen einfach durchzuwinken, nicht zu wissen, ob Familien mit kleinen Kindern ankommen, nicht zu wissen, ob sie eine Bleibeperspektive haben, nicht zu wissen, wie sie auf der Strecke versorgt werden? Es ist besser, dass wir uns mit den europäischen Nachbarländern zusammensetzen – – und uns um eine neue EU-Türkei-Erklärung kümmern. Das hat Tausende Menschen davor bewahrt, im Mittelmeer zu ertrinken. Ich bin froh, dass wir das damals gemacht haben. Und ich glaube, wir brauchen eine neue Erklärung. Und wir brauchen weniger ritualisierte Debatten und mehr konkrete Lösungen. Herzlichen Dank.