Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesen Worten beginnt das Positionspapier, das die CDU/CSU-Fraktion schon am 18. April dieses Jahres beschlossen hat. Und deswegen haben wir, Frau Außenministerin, mit großer Aufmerksamkeit darauf geachtet, was die Bundesregierung dann etwas später – aber immerhin auch – erarbeitet hat. Ich komme zu dem vorläufigen Zwischenergebnis: Wir teilen Ihre Analyse der Gefahren, die von China ausgehen, und der Chancen, die mit China verbunden sind. Ihre politischen Schlussfolgerungen sind aber unzureichend und inkonsistent. Eine Beteiligung des Parlamentes in seiner Gesamtheit, eine Beteiligung der Bundesländer, eine Beteiligung der Kommunen, eine Beteiligung der deutschen Wirtschaft, eine Beteiligung der europäischen Partner ist bisher ausgeblieben und muss nachgeholt werden. Es ist richtig, dass China sich unter Präsident Xi noch einmal massiv gewandelt hat. Es war nie ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat. Das war übrigens immer bekannt. Ob es jetzt ein Ausdruck besonderer Staatskunst ist, dass gerade eine Außenministerin über einen rechten US-TV-Sender dem Staatspräsidenten von China so etwas noch mal mitteilt, ist eine ganz andere Frage, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich würde die Aufgabenbeschreibung an der Stelle anders sehen. Richtig ist aber: China verfolgt unter Xi mit vorher nicht gekannter Konsequenz das Ziel einer sinozentrischen Weltordnung und stellt sich damit in einen Gegensatz zu uns, die wir eine werte- und regelbasierte Weltordnung verteidigen und gestalten wollen. Und er hat damit bedauerlicherweise Erfolg. So haben wir in den Vereinten Nationen beobachten müssen, dass eine Resolution zur schrecklichen Misshandlung in einem nicht gekannten Ausmaß und Internierung von Uiguren in China, die Deutschland mit europäischen Partnern und Freunden unterstützt hat, von allen afrikanischen Staaten nicht unterstützt wurde. Sie haben sich enthalten oder haben dagegengestimmt. Wenn man mit den Botschafterinnen und Botschaftern der afrikanischen Staaten gesprochen hat, dann haben sie geantwortet: Wir hatten vorher ein Gespräch mit dem chinesischen Botschafter, der uns empfohlen hat, an der Stelle das bilaterale Verhältnis zu China nicht zu gefährden. – Meine sehr verehrten Damen und Herren: So geht China vor. Es ist ebenso ein Angriff auf die internationale regelbasierte Ordnung wie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Es geschieht nicht so plötzlich in einem wahrnehmbaren Akt militärischer Gewalt. Aber China gefährdet unsere regelbasierte Weltordnung, und dagegen müssen wir uns gemeinsam stellen, mit Partnern, Freunden und Verbündeten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Europäische Union hat gesagt: China kann Partner und Wettbewerber sein, aber auch systemischer Rivale. Es verschiebt sich in Richtung der systemischen Rivalität. Deshalb sagen wir: Wenn China sich ändert, müssen auch wir uns ändern. Dann müssen wir darauf antworten. Dann müssen wir eingebettet in die europäische Ordnung mit unseren engsten Partnerinnen und Partnern zusammenarbeiten. Deswegen, Frau Außenministerin, ist es so schlimm, dass das Verhältnis zu Frankreich in allen Feldern, auch in den Fragen der Chinapolitik, so notleidend ist wie jetzt. Es ist Ihre Verantwortung, das Verhältnis zu Frankreich wieder auf eine neue Basis zu stellen, damit wir hier zusammenarbeiten können. Und europäisch zusammenzuarbeiten, heißt auch, dass dann, wenn die Kommissionspräsidenten Frau von der Leyen vorschlägt, gegen das chinesische Dumping von Elektroautos etwas im europäischen Rahmen zu unternehmen, der deutsche Verkehrsminister nicht gleich der Europäischen Kommission in den Rücken fallen muss, um zu versuchen, das zu verhindern. Herr Wissing tut damit der europäischen Idee einen Tort an. – Herr Trittin, ich sehe, Sie stimmen zu. Auch an der Stelle geht es wieder um Gemeinsamkeit. Ich glaube, das ist ein großer Fehler, den Herr Wissing an der Stelle begangen hat. Wir brauchen die Europäische Union und europäische Freunde, um gemeinsam resilienter zu werden, um andere Handelspartner zu haben. Wir können doch nicht darüber reden, dass wir unsere Abhängigkeit verringern wollen, und dann, wenn es möglich ist, sich neue Märkte zu erschließen, wieder mit ideologischen Scheuklappen hantieren. Also: Offenheit auch für ein Handelsabkommen mit den Staaten Südamerikas. Ich erwarte eine Politik für ein Mercosur-Abkommen der deutschen Bundesregierung. Das wird in Südamerika sehnlichst erwartet und würde uns auch helfen, von China unabhängiger zu werden. Und wir müssen gegenüber den Staaten des Globalen Südens – das ist eine ziemlich ungenaue Bezeichnung – offener sein; der Bundeskanzler hat es gerade eben sehr richtig, wie ich finde, im Auswärtigen Ausschuss gesagt. Dazu gehört Indien, dazu gehört Saudi-Arabien: schwierige, aber notwendige Partner, wenn wir gemeinsam gegen China erfolgreich sein wollen. Und deswegen hilft es nicht, dass der Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius in Indien darüber redet, dass Indien, was Erleichterungen bei Waffenlieferungen angeht, auch von Deutschland auf eine Stufe mit anderen NATO-ähnlichen Staaten gestellt wird, aber die Bundesregierung dann praktisch nicht handelt. Das ist eine neue Enttäuschung für die größte Demokratie der Welt. Das können wir uns dem indischen Subkontinent und diesem Land gegenüber nicht erlauben, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das sind ideologische Scheuklappen. In diesen Zusammenhang gehört als letztes Beispiel auch Saudi-Arabien und das, was wir da dieser Tage erleben. Ich hoffe, das wird schnell gelöst; mal ganz abgesehen von der Frage, wie hilfreich es für das Verhältnis zu diesem Land ist, dass Sie, Frau Außenministerin, das Gespräch mit dem saudischen Außenminister dafür nutzen, ihm ein Handbuch über feministische Außenpolitik zu überreichen. Aber okay, wenn es der Gesprächsatmosphäre geholfen hat; geschenkt. Viel wichtiger ist: Großbritannien möchte Tornado-Flugzeuge an Saudi-Arabien verkaufen. Wenn wir gemeinsame europäische Rüstungsprojekte realisieren wollen, brauchen wir europäische Partner. Wenn die europäischen Partner lernen, dass Deutschland im Zweifel dann immer wieder Nein sagt, wird auch das nicht gelingen, und wir verlieren Saudi-Arabien auch an dieser Stelle als Partner. Das können wir uns auch chinapolitisch nicht erlauben. Also, die chinapolitische Zeitenwende der Bundesregierung steht aus. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.