- Bundestagsanalysen
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir beraten hier einen Antrag der AfD-Fraktion, der uns, quasi als zweiter Aufguss, erneut und fast unverändert vorgelegt wird. Wir haben ja vor gut zwei Jahren schon einmal über einen fast wortgleichen Antrag hier debattiert. Man muss dazu wissen: Der Antrag ist aus einem Positionspapier von den Kolleginnen und Kollegen der FDP aus dem Jahr 2011 abgeschrieben. Wir haben vor zwei Jahren in der Debatte hier einhellig gesagt: So kann man das nicht machen. – Wir haben das in sehr deutlichen Worten abgelehnt. Und weil sich inhaltlich nichts geändert hat, kann ich auch heute nur dafür plädieren, die Forderungen, die dort aufgestellt werden, nicht anzunehmen.
Der abgeschriebene Teil von uns ist gut!)
Das hat übrigens nichts mit der FDP zu tun; dazu sage ich gleich noch etwas. Es gibt gute Gründe dafür, warum man das heute nicht mehr vertritt; das hat damals Stephan Thomae in der Debatte auch entsprechend ausgeführt. Es ist ja in der Zwischenzeit auch etwas passiert.
Ich will hier auch gar nicht Stellung nehmen zu diesen Ausschweifungen über direkte Demokratie, unterfüttert mit abstrusen Theorien und dergleichen mehr.
Das steht in unserem Programm! Das sind keine Ausschweifungen!
Mehr davon!)
Ich will mich an die Kernforderung halten. Und die Kernforderung, dass bei einer Mitzeichnung von 100 000 Bürgerinnen und Bürgern bei einer Petition der Automatismus greift, dann hier im Plenum darüber zu debattieren, halte ich nicht für ein Mehr an Demokratie; vielmehr müssen wir aufpassen, dass wir das Petitionswesen insgesamt damit nicht belasten oder vielleicht sogar entwerten.
Genau!)
Warum? Das will ich im Einzelnen darlegen.
Die 100 000er-Grenze ist heute jedenfalls – und das ist der Grund, warum die FDP diese Forderung auch nicht mehr aufrechterhält – viel zu niedrig.
Richtig!)
Nehmen wir mal die Zahl 100 000: Das sind 1,6 Promille der Wahlberechtigten in Deutschland,
Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
die darüber dann Einfluss nehmen auf die Tagesordnung im Deutschen Bundestag. Wir haben ein repräsentatives System. Im Deutschen Bundestag sitzen in der Regel Fraktionen, die bei der Bundestagswahl mindestens 5 Prozent erreicht haben. Sie entscheiden dann über Tagesordnung, Redezeit und dergleichen mehr. Diesen Zahlen muss man zumindest in Übereinstimmung bringen.
Und dann öffnet man damit natürlich Tür und Tor für Kampagnen und Agitation, statt Petition. Es ist doch ein Leichtes für Lobbyisten, die sich vielleicht auch „NGO“ nennen, mit einem entsprechenden Apparat und Finanzaufwand 100 000 Mitzeichner für ein Anliegen zu bekommen. Und das würde bedeuten, dass wir im Bundestag geflutet werden mit eigentlich politischen Hintergründen in einer Petition, die man hierhin auch anders transportieren kann. Wir wollen kein Forum sein für populistische Debatten. Wir haben mit Ihnen schon genug davon.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Und ein ganz entscheidender Punkt, meine Damen, meine Herren, ist, dass der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz für alle Petitionen gilt.
Zuruf von der AfD)
Sie müssen doch einmal sehen, dass die Bedeutung, der Wert einer Petition nicht von der Anzahl der Mitzeichner abhängt.
So ist es!)
Das ist vielleicht ein Gradmesser, wie ein Thema in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Aber eine Petition ist doch eine persönliche Bitte, eine Beschwerde eines Einzelnen,
Genau!)
der zum Teil existenzielle Nöte hat, und diese will genauso behandelt und ernst genommen werden
So ist es!)
wie andere Petitionen, die vielleicht einen anderen politischen Impact haben, auch.
Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Deshalb ist es hier an der Zeit, dem Petitionsausschuss für die Arbeit, die er Woche für Woche erbringt, nämlich die Behandlung der Petitionen, auch einmal herzlich zu danken.
Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Genau!)
Das ist das Wesen und der Kern des Petitionsrechts.
Im Übrigen: Fraktionen können doch heute schon ein Thema, wenn es sich herauskristallisiert über viele, viele Mitzeichnungen, über eine Stimmung in der Bevölkerung, die wir ja wahrnehmen, im Bundestag aufsetzen, das unter einem Tagesordnungspunkt behandeln lassen.
Genau!)
Das Thema ist doch damit nicht aus der Welt.
Deshalb, meine Damen, meine Herren: Für mich gelten heute noch die Argumente, die wir alle vor gut zweieinhalb Jahren hier vorgetragen haben: dass wir damit eigentlich nichts zu tun haben wollen. – Eigentlich, denn ich finde es schon ein bisschen irritierend – das sage ich jetzt an die Adresse der SPD-Fraktion –, wenn Sie in einem Positionspapier, das noch nicht einmal einen Monat alt ist – es ist von Ende August 2023 –, unter Punkt 4 genau das fordern, was die AfD hier jetzt und in der letzten Periode beantragt hat.
Nein!
Nein!)
Ich kann mich noch erinnern, dass Ihre Redner das mit der gleichen Vehemenz abgelehnt haben. Das Einzige, was Sie anders regeln wollen als die da, ist, dass der Ausschuss das mehrheitlich entscheiden muss. Das ist ja noch schlimmer. Damit sortieren Sie
Zuruf der Abg. Martina Stamm-Fibich [SPD])
politisch noch die Petitionen aus, die Ihnen als Mehrheit nicht in den Kram passen.
Ja, genau!
Das ist falsch!)
Und das, glaube ich, kann überhaupt nicht sein. Das wäre eine Politisierung des Petitionsrechts, die wir nicht wollen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Deshalb sollten Sie Ihr Verhältnis zumindest zu diesem Antrag – ich sage jetzt nicht: zu der Fraktion, aber zu dem Antrag –
Zuruf des Abg. Axel Echeverria [SPD])
noch mal sehr genau überdenken angesichts des Positionspapiers, das Sie in die Welt gesetzt haben.
Insgesamt brauchen wir also eine Stärkung der repräsentativen Demokratie. Wir brauchen eine Stärkung –
Herr Kollege.
– des Petitionsrechts, indem wir es ernst nehmen. Aber wir brauchen nicht diesen Humbug, der hier vorgeschlagen worden ist.
Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat Corinna Rüffer für Bündnis 90/Die Grünen.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)