Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit dem Ausbruch des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sind über 1 Million ukrainische Vertriebene nach Deutschland gekommen. Im vergangenen Jahr haben zusätzlich etwa eine Viertelmillion Menschen einen Antrag auf Asyl in Deutschland gestellt. In diesem Jahr werden es voraussichtlich 300 000 Menschen sein. All diese Menschen müssen vernünftig versorgt werden. All diese Menschen müssen untergebracht werden. All diese Menschen durchlaufen ein rechtsstaatliches Verfahren. Die Hauptlast dieser Situation tragen die Kommunen, tragen die Städte und Gemeinden. Ich glaube, wir müssen uns noch mal klarmachen, dass dieser gigantische Akt der europäischen Solidarität gegenüber der Ukraine ohne das Engagement der Kommunen niemals möglich gewesen wäre, liebe Kolleginnen und Kollegen. Jetzt aber sind wir in einer Situation angelangt, in der die Städte und Gemeinden nicht mehr können. Die Zahlen sind zu hoch; die Kommunen ächzen. Die Städte und Gemeinden wissen nicht weiter, und sie erwarten von uns eine wirksame Begrenzung der irregulären Migration, und das müssen dieser Bundestag und auch diese Bundesregierung leisten. Ich glaube, dass ein großer Teil der Frustration, ein großer Teil der Enttäuschung, die wir momentan in der Gesellschaft sehen, daher kommt, dass hier Reden über die Begrenzung der irregulären Migration gehalten werden, aber in den Kommunen nichts davon bemerkt wird. Und mit jeder Rede, in der beschworen wird, dass eine Begrenzung der irregulären Migration stattfinden soll, aber dann in den Kommunen nichts ankommt, wächst diese Frustration und wächst diese Enttäuschung weiter. Ich kann das verstehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dazu gerne einige konkrete Beispiele. Erstes Beispiel. Die Ministerpräsidentenkonferenz hat im Mai dieses Jahres beschlossen, dass Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden sollen. Jetzt haben wir September, und die Einstufung hat immer noch nicht stattgefunden. Dafür habe ich kein Verständnis, liebe Kolleginnen und Kollegen. Zweites Beispiel. Die Ministerpräsidentenkonferenz, ein buntes Gremium, hat parteiübergreifend beschlossen, dass, um Abschiebungen zu erleichtern, der Ausreisegewahrsam auf 28 Tage verlängert werden soll. Das war im Mai. Jetzt ist September. Es ist immer noch nicht beschlossen worden. Dafür habe ich kein Verständnis. Ein drittes Beispiel. Wir als Bund und Länder müssen damit aufhören, uns beim Thema Abschiebungen ständig gegenseitig auf den Füßen zu stehen. Natürlich müssen wir als Bund unsere Hausaufgaben machen, um im internationalen Bereich die Voraussetzungen für Abschiebungen zu schaffen. Joachim Stamp, der Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung, ist heute Morgen aus Nairobi wiedergekommen. Er ist in Osteuropa unterwegs, er ist in Afrika unterwegs, er ist in Asien unterwegs und verhandelt Migrations- und Rückübernahmeabkommen. Aber die Länder müssen die Abschiebungen dann auch durchführen. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, natürlich kann Joachim Stamp nicht in einem Jahr aufholen, was Horst Seehofer in vier Jahren nicht gemacht hat. Wenn ich mir dann den Antrag der Union anschaue, insbesondere den Teil „Wir fordern die Bundesregierung auf“, dann frage ich mich mitunter, ob Sie uns eigentlich verschaukeln wollen. Da steht drin, man solle mehr auf Sachleistungen setzen. Wir als Freie Demokraten halten es für richtig, verstärkt auf Bezahlkarten und auf Sachleistungen zu setzen, weil das die Anreize für irreguläre Migration senkt. Aber wissen Sie was? Sachleistungen stehen doch längst im Gesetz. Ich habe heute Morgen noch mal nachgezählt: 8 von 16 Innenministern in Deutschland werden von der CDU und der CSU gestellt. Warum fordern Sie uns denn zu etwas auf, wofür Sie zuständig sind? Machen Sie es doch einfach in den Ländern! Setzen Sie doch auf Sachleistungen, auf Bezahlkarten! Das ist doch alles längst beschlossen. Warum geht es denn nicht los? Ein letztes Beispiel will ich nennen; das ist das Thema Europa. Wir haben im nächsten Jahr Europawahl, und ich finde, dass die Einigung der Innenministerinnen und Innenminister auf europäischer Ebene auf eine gemeinsame Haltung in der Asyl- und Flüchtlingspolitik ein großer Schritt in die richtige Richtung war. Das ist eine wichtige Leistung, und ich bedanke mich dafür, dass das möglich gewesen ist. Allerdings ist es so, dass diese Verhandlungen momentan stocken, und wir dürfen es nicht riskieren, dass Deutschland der Bremser bei der Neufassung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist. Wir müssen das vor der Europawahl zum Abschluss bringen. Wir müssen das beschließen, und wir müssen dazu beitragen, dass es in der Europäischen Union, dass es auf diesem Kontinent eine gemeinsame Asylpolitik gibt, damit wir die Binnengrenzen offen halten können und gemeinsam die Außengrenzen schützen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundeskanzler hat einen Deutschlandpakt in Sachen Migration vorgeschlagen. Er hat Ihnen die Hand ausgestreckt; Sie haben diese Hand heute weggeschlagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, haben mit Ihrem Tonfall eine Schärfe in diese Debatte gebracht, die völlig unangebracht und unangemessen ist. Ich wünsche mir, dass wir dieses Thema gemeinsam mit Selbstkritik, mit Reflexion und auch mit Kompromissbereitschaft lösen. Aber dazu leistet der heutige Antrag leider keinen Beitrag. Lassen Sie uns die von mir genannten Punkte auf den Weg bringen, und lassen Sie uns daran arbeiten, dass dieses Thema nicht von denjenigen weiter ausgeschlachtet wird, die nichts Gutes im Schilde führen! Herzlichen Dank.